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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Ende. Die Toten vor den Toren wurden nach letzten Resten an Brauchbarem gefleddert. Klagende Lagerweiber suchten unermüdlich nach ihren gefallenen Männern, die mit den Haufen toter Türken um die Wette stanken. Erst als die Fürsten Massengräber ausheben ließen, wurde es erträglicher.
    Gegen Bohemunds Widerstand setzte Bischof Aimar wieder den griechischen Patriarchen ein, den die Türken während der Belagerung eingekerkert hatten, zum Zeichen, dass man die Rechte der Byzantiner achten wolle. Eine Gesandtschaft wurde nach Konstantinopel geschickt, um dem Kaiser Gelegenheit zu geben, persönlich über das Los der ehemals byzantinischen Stadt zu entscheiden. Auch dies nur gegen Bohemunds zähneknirschenden Widerspruch.
    In der zweiten Hälfte des Monats Juli ging das Wundfieber zurück, und ich erholte mich langsam. Im Hafen Sant Simeon, etwa zehn Meilen entfernt, waren genuesische Schiffe aufgetaucht, die begannen, das Heer zu versorgen. Noura legte etwas an Gewicht zu und sah nicht mehr so elfenhaft aus. Wir waren immer noch scheu miteinander, und doch wuchs durch die Wochen ihrer Pflege langsam ein Band zwischen uns, auch wenn sie mich manchmal wie ein störrisches Maultier behandelte und mir den Wein wegnahm, den Guilhem in meine Kammer schmuggelte.
    Gegen Ende desselben Monats erkrankten viele an einem seltsamen Fieber, begleitet von Schwindel, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Hautausschlägen. Guilhem behauptete, ihn könne es nicht treffen, da er so viel schlechten Wein tränke, dass seine Gedärme ganz in Essig eingelegt seien. Noura verbot ihm, das Haus zu verlassen, um Berührungen mit Kranken zu vermeiden. Sie schimpfte über die schweinische Art, wie viele Franken sich in ihren Behausungen eingenistet hatten, und putzte das Haus von oben bis unten, denn wo Sauberkeit herrsche, dort gäbe es keine Seuchen. Wer weiß, ob sie recht hatte, jedenfalls erkrankten wir nicht. Doch in der Nachbarschaft starben viele und am ersten Tag des Monats August auch unser geliebter Bischof Aimar.
    Sein Tod stürzte alle Latiner und besonders das einfache Kriegsvolk in tiefste Trauer und Niedergeschlagenheit, als hätten sie ihren Vater verloren. Wenn es einen gegeben hatte, der das Gute in uns allen beschworen und immer wieder die Richtung nach Jerusalem gewiesen hatte, dann war es Aimar gewesen. Endlos war die Menschenschlange, die an seinem offenen Sarg vorüberwanderte, um sein Gewand ein letztes Mal zu berühren. Viele fragten sich beklommen, wie es weitergehen sollte.
    Und wie um die Befürchtungen des Volkes zu bestätigen, so flammte der Streit unter den Fürsten über den Besitz der Stadt immer heftiger auf. Bohemund beanspruchte Antiochia und das umliegende Land für sich allein, da sein Gold den Verräter Firuz bezahlt hatte. Davon war er wie besessen. Man habe es ihm versprochen, wenn es ihm gelingen würde, die Stadt für das Heer zu öffnen. Und darin hatte er recht. Es gab viel Verständnis für ihn, zumal nach dem Sieg das ganze Heer in seiner Schuld stand. Bohemund hasste die Byzantiner, hatte er doch jahrelang gegen sie in Griechenland gekämpft. Und nachdem er schon das väterliche Erbe an seinen Halbbruder verloren hatte, war dies die ersehnte Gelegenheit, ein eigenes Reich zu gründen.
    Raimon dagegen erinnerte, dass man in Konstantinopel Kaiser Alexios die Stadt versprochen hatte. Deshalb entschieden die Fürsten, zuerst die Gesandtschaft abzuwarten, um zu sehen, ob Alexios sich in Person einfände, sein Recht einzufordern. Graf Raimon wollte nicht nur seinen Eid erfüllen, sondern hoffte auf Hilfe durch die byzantinische Flotte auf unserem langen Marsch nach Jerusalem. Bei jeder Zusammenkunft beschwor er die Fürsten aufs Neue, das Richtige für das Heer zu tun. Am Ende schrie Bohemund außer sich vor Wut, von diesen Knaben liebenden, doppelzüngigen, griechischen Arschfickern könne man keine Hilfe erwarten, und er schulde ihnen gar nichts. Es kam zu einem Aufruhr in der Versammlung, und fast wären sich die beiden an die Kehle gegangen.
    In der Tat hatte uns das byzantinische Heer im Stich gelassen. Das konnte niemand dem Kaiser verzeihen. Erst Jahre später verstand ich, dass er kaum anders hätte handeln können, denn in Anatolien trieben weiterhin seldschukische Heerhaufen ihr Unwesen, und es wäre unverantwortlich gewesen, Konstantinopel und sein Land ungeschützt zurückzulassen.
    Der Streit zwischen unseren Anführern zerriss das Heer, und die beiden Lager belauerten sich misstrauisch.

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