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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Täglich kam es zu Handgreiflichkeiten. Die Normannen machten sich ein Vergnügen daraus, uns Provenzalen aufzulauern, weshalb wir nur noch in Gruppen und schwerbewaffnet gingen.
    So vergingen Wochen der Untätigkeit. Das Heervolk wurde unruhig, denn das wenige an Nahrung, das die Genuesen aus Zypern bringen konnten, war nicht genug, um alle ausreichend zu versorgen. Raimons Gold beschaffte zumindest uns Provenzalen ein paar Gäule, und Guilhem und ich waren die Ersten, die mit Raimon Pilet weit ins Land ritten, um Nahrung aufzutreiben. Schließlich hatten alle es satt, auf die streitenden Fürsten zu warten. Die einfachen Krieger begannen, heimlich davonzulaufen. Täglich schnürten mehr ihre Bündel. Da begriffen die Herren, dass sie weiterziehen mussten, bevor das Heer wie Butter in der Sonne dahinschmolz. Und so kam es im November endlich zum Aufbruch nach Jerusalem.
    Schweren Herzens teilte ich Noura mit, dass wir bald Abschied nehmen müssten. Ich bot ihr all mein Silber und das wenige Gold, das ich besaß. Damit würde sie eine Weile im Haus ihrer Familie leben können. Mehr konnte ich nicht für sie tun. Aber bei meinen Worten stieg ihr die Röte ins Gesicht, sie wandte mir den Rücken zu und klapperte wütend mit Töpfen und Pfannen. Dann fuhr sie mich an, ob sie nicht ihre Arbeit zu meiner Zufriedenheit verrichtet habe? Obwohl aus reicher Familie, habe sie mir doch wie eine Magd gedient. Und habe sie nicht alles getan, um mich gesund zu pflegen? Ich hatte sie noch nie im Zorn gesehen und war erschrocken über die Leidenschaft dieses unerwarteten Ausbruchs. Ich sagte, wie dankbar ich ihr sei. Und nie hätte ich sie als Magd behandelt.
    Da wurde sie noch zorniger. Warum ich sie dann fortschicken wolle? Ob sie nicht gut genug für mich sei? Im Gegenteil!, rief ich. Ich würde ihr doch all mein Gold geben, damit es ihr gutginge. Mein Gold wolle sie nicht, schrie sie und brach in bittere Tränen aus.
    Das verwirrte mich vollends. Ich war ratlos und unglücklich und versuchte zu erklären, dass dort, wohin ich ging, kein Ort sei für eine Frau wie sie. Auf uns warteten nur noch mehr Schlachten und Entbehrungen. Und falls ich am Ende sterben würde, dann sei sie ohne Schutz in der Welt und müsse sich wie viele Frauen als Lagerhure verdingen. Davor wollte ich sie bewahren. Nach dieser langen Rede wurde sie still.
    Ob ich sie denn so hässlich fände, fragte sie schließlich mit tränenerstickter Stimme. Herr im Himmel! Verstehe einer die Frauen! Nein,
per Dieu!,
sie sei so wunderschön wie ein Engel Gottes, stotterte ich verlegen, und der Gedanke, sie zu verlassen, mache mein Herz schwer.
    Und dann wusste ich nicht, wie mir geschah, denn plötzlich war sie in meinen Armen, und nach den Monaten der Zurückhaltung küssten wir uns wie Dürstende in der Wüste. Ihr Körper drängte sich an mich, und wir konnten nicht aufhören, uns zu umschlingen und zu liebkosen, als müssten wir alles Versäumte nachholen. In schmerzhafter Ungeduld rissen wir uns die Kleider runter. Sie zitterte am ganzen Leib, und ich drang ungestüm in ihren feuchten Schoß ein. Ihr Schmerzensschrei ließ mich erschrocken zurückfahren. Aber sie küsste mir Gesicht, Hals und Brust, öffnete weit ihre Schenkel und zog mich in sich hinein. Es war, als hätte jemand das Wehr eines aufgestauten Flusses geöffnet. Ein unbeschreibliches Gefühl aus warmer Geborgenheit, sich erfüllender Sehnsucht und überschäumender Begierde durchströmte mich. Noura warf den Kopf in den Nacken und schrie, nicht vor Schmerz, sondern vor Wollust.
    Später weinte sie in meinen Armen. Ob vor Glück oder über den Verlust ihrer Familie, ich wagte es nicht, sie zu fragen. Sie lag an meiner Brust, und das genügte mir. Wir liebten uns bis zur Erschöpfung und konnten doch unseren Durst nach Zärtlichkeit nicht stillen, unseren Hunger nach dem Leib des anderen. In dieser Nacht wurde Adela gezeugt.
Enfan d’amor,
wie es so schön heißt.
    Auf dem langen Marsch nach Jerusalem saß ich ständig im Sattel. Erkundungen und Beutezüge, gelegentlich Kämpfe gegen Einheimische oder kleinere Gruppen von Seldschuken. Es waren harte Wochen und Monate. Doch wenn ich zurückdenke, ist hauptsächlich die Erinnerung an unsere Liebe geblieben. Was kümmerten uns Tod und Entbehrung, Mühsal und Hunger? Es war, als ob wir uns in einer ganz anderen Welt bewegten. Am Ende eines Tagesmarsches lagen wir beieinander, flüsterten im Dunkeln und ließen unsere Hände den Leib des anderen erkunden.

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