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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Das Klicken der Würfel im Lager und das Johlen der Betrunkenen störten uns nicht im Geringsten. Es machte unsere stille Vertrautheit hinter der Zeltwand nur noch spürbarer. Und als auf dem staubigen Marsch neues Leben in ihr heranwuchs, war dies ein Wunder, das mich weit mehr berührte als die Heilige Lanze von Antiochia.
    Mein Gemütszustand war den Gefährten nicht verborgen geblieben, und sie trieben ihren Spaß mit mir.
    »Lasst den Jungen in Ruhe, ihr hässlichen Bastarde!«, lachte Pilet in seinem rumpelnden Bass. »Ihr seid nur neidisch, weil ihr euch noch auf Erden abrackert, während der schon im Himmelreich ist.« Dabei schlug er mir auf die Schulter, dass ich fast vom Gaul gestürzt wäre.
    Noura blühte auf. Nie hatte ich sie über Not oder Entbehrung klagen hören, aber nun entwickelte sie einen Zustand heiterer Ruhe und in sich gekehrter Gelassenheit, so als könne ihr nichts und niemand etwas anhaben. Das junge Leben in ihr verklärte sie in einer Weise, als wandele sie in einer inneren Welt, in die ihr niemand folgen konnte, auch ich nicht. Abends entzündete sie ihre Kerzen, und nach der Andacht erforschten wir staunend ihren Leib, dessen Umfang täglich zunahm. Die Mutter Gottes, zu der wir beteten, wurde zur Patronin unseres Glücks, die kleine Madonnenfigur zum Sinnbild der Fruchtbarkeit des Weibes.
    ***
    Wo, zum Teufel, steckte das Kind?
    Ich machte weiter die Runde der Wehrgänge, kletterte Stufen hinauf und andere hinunter, zwängte mich durch Turmpforten und an Katapulten vorbei, erklomm die Stiegen zu den Kampfplattformen und fragte überall die Wachen nach Adela, aber niemand hatte sie gesehen.
    Schließlich stand ich vor der Kapelle. Raimons byzantinische Baumeister hatten die Ruine eines alten Fatimidenforts in den Festungsbau mit einbezogen, und so war aus der achteckigen Moschee eine ungewöhnliche Kapelle geworden. Den schmalen Turm des Minaretts hatte man entfernt und auf die runde Kuppel hastig ein Kreuz gesetzt. Ansonsten war der Bau unverändert geblieben. Sogar die arabischen Inschriften auf dem Marmor waren noch sichtbar. Und warum nicht? Wenn es Gottes Wille war, aus zwei Kirchen eine einzige zu machen, dann sollte man nichts verändern.
    Im Innern wusste ich den
sarcophargus
des alten Raimons. Er hatte geschworen, das Grab Christi zu befreien und niemals wieder heimzukehren. Ein seltsamer Schwur, denn ein Leben lang hatte er um die Herrschaft über Tolosa gestritten. Und plötzlich, schon weißhaarig, fiel es ihm ein, sich diesem ungewissen Unternehmen des Papstes anzuschließen. Warum nur, fragte ich mich. Hätte er doch besser daran getan, die Früchte seines Lebens zu genießen. Nach der Ehe mit der schönen Anhes de Provence hatte keines seiner Kinder das Säuglingsalter überlebt. War es Gottes Strafe gewesen, dass er sie verstoßen hatte? Vielleicht hatte er sich deshalb als Pilger und Büßer gesehen, um den Rest seines Lebens dem Schutz des Heiligen Landes zu widmen?
    Unter der Erwartung, doch endlich einen Erben zu gebären, hatte Elvira fürchterlich gelitten. Wer war sie denn, wenn sie keinen Sohn gebären konnte? Doch selbst nur ein Fehltritt. Zwar der eines Königs von Kastilien, aber dennoch seine Bastardtochter. Umso größer Raimons Freude über den gesunden Sohn, der ihm zuletzt geschenkt wurde.
    Raimon Sant Gille, der alte Maurentöter. Diese Burg war sein Denkmal. Und ich der Hüter. War ich wie er verdammt, mein Leben auf diesem Hügel zu beenden? Sollte ich für immer mit ihm auf dieser düsteren Festung hausen und endlos Raubzüge gegen die Ungläubigen führen? Der Gedanke hatte etwas zutiefst Bedrückendes.
    Ich dachte an Euthalias Worte. Sie war ihrem Arnaud in dieses grausige Abenteuer gefolgt, wie Noura mir und Elvira ihrem Fürstengemahl. Wie so viele andere ehrbare und weniger ehrbare, Edelfrauen oder Waschweiber, Marketenderinnen oder Huren. Sie hatten ihren Teil mitgetragen, Hitze, Staub und Regen gelitten, Holz gesammelt, gekocht, Kleider geflickt, hatten ihre Kerle geliebt, ihre Wunden verbunden, waren mit ihnen gestorben. Und Kinder hatten sie geboren. Ob in der Glut der Wüste oder in der Eiseskälte eines Gebirgspasses, ob mitten im Getümmel oder abseits des Schlachtenlärms, sie hatten Kinder zur Welt gebracht und um das Leben ihrer Brut gekämpft. Und nicht anders war Adela in diese Welt gekommen.
    Über dem Eingang zur Kapelle hatte man den Stein mit einer christlichen Inschrift versehen. Ich wusste, was darauf

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