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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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es musste irgendetwas geschehen sein.
    »Ich wundere mich, warum er jetzt, nach all den Jahren, geschrieben hat«, murmelte ich gedankenverloren.
    »Ich nehme an, es handelt sich um dein Erbteil. Obwohl,
die Erfüllung seines Schicksals,
das hört sich nach Größerem an als ein paar Kuhweiden, was?« Schon wieder dieser forschende Blick. »Als warte auf dich der Heilige Gral.«
    »Mein Onkel ist sonst nicht so salbungsvoll, eher nüchtern.«
    »Wie dem auch sei, ich habe meine Pflicht erfüllt. Alles andere geht mich nichts an.« Er faltete den Brief zusammen und sah mich trotz dieser Aussage erwartungsvoll an, so dass ich mich genötigt sah, eine Erklärung abzugeben.
    »Mein Onkel mischt sich gern in alles ein. Seit dem frühen Tod meines Vaters führt er sich als Patriarch auf. Ich bin nicht undankbar, aber eigentlich verwaltet meine Mutter das Erbteil. Unser Lehen umfasst eine kleine Burg und Ländereien im südlichen Teil der Corbieras.«
    »Rocafort«, meinte er nachdenklich. »Ich war noch nie dort, aber ich weiß von einer Burg mit diesem Namen. Gehörte sie nicht zur Mitgift meiner werten Base Felipa, der Herzogin von Aquitania?«
    »So ist es«, bestätigte ich. »Auch wenn die Schenkung nach ihrem Überfall auf Tolosa wieder rückgängig gemacht wurde. Ein Dorf, gute Äcker, etwas Wald. Dank der Umsicht und des Geschicks meiner Mutter haben wir immer gut gelebt. Ich hatte vor, eines Tages zurückzukehren. Aber es hat sich nicht so ergeben.«
    »Und jetzt?«
    »Ich habe mein Leben hier in Outremer. Und außer meiner Mutter …«
    Ich ließ den Satz unvollständig. Außer meiner Mutter ist da niemand, hatte ich sagen wollen, aber das wäre eine Unwahrheit gewesen.
    Bertran beugte sich vor und sah mir in die Augen. »Jaufré, du weißt, ich zähle auf dich hier in der Grafschaft. Ich habe nur eine Handvoll guter Anführer, und dazu gehörst du. Dennoch, dein Onkel ist ein großer Mann, und nach dem Ton seiner Worte zu urteilen, scheint ihm die Angelegenheit sehr wichtig zu sein. Das will ich achten, und deshalb bin ich bereit, dich für eine Weile fortzulassen. Nur komm bald zurück. Ich brauche dich hier.«
    Ich zog es vor, die Sache herunterzuspielen. »Es wird sich nur um seinen Besitz handeln. Soweit ich weiß, hat er keine weiteren Erben.«
    »Was soll ich ihm nun antworten?«
    Ich war noch unschlüssig und wollte Zeit gewinnen.
    »Ich möchte einige Tage darüber nachdenken. Wenn mir Euer
secretarius
helfen will, kann man die Angelegenheit vielleicht mit einem Brief regeln.«
    Bertran kramte nochmals auf seinem Tisch und zog ein anderes Pergament hervor. »Mein Schreiber hat für dich eine Abschrift des Teils angefertigt, den ich dir vorgelesen habe. Das wird dir nützlich sein.« Er reichte mir das Schriftstück. »So, und jetzt dürfen wir die Tafelrunde nicht länger warten lassen.«
    ***
    Es wurde ein seltsamer Abend. Ein Edelmann aus Bearn mit Namen Guis de la Troya, der auf dem Weg nach Jerusalem war, sorgte für Aufruhr. In der Runde hartgesottener Krieger, die Bertrans Tafel zierten und ihn misstrauisch beäugten, wirkte er äußerst fremd. Schuld daran war nicht sein Gascogner Tonfall, auch nicht die modische Kleidung und das eitle, selbstgefällige Gehabe, mit dem er jeden wissen ließ, dass er an den größten Fürstenhöfen ein und aus ging. Nein, es waren eher seine Reden, die zum Widerspruch reizten. Und seine Schwärmerei über den herzoglichen Hof von Aquitania zeugte von wenig Feingefühl gegenüber seinen Gastgebern, wusste doch jeder, wie verfeindet Bertran mit seiner Base Felipa über das Erbe von Tolosa war.
    Noch mehr ging es uns alten Kämpen gegen den Strich, dass er
Duc
Guilhem, Felipas Gemahl, als Vorbild für jeden Ritter pries. Denn als es uns vor Antiochia dreckig ging, war der Mann nicht dabei gewesen. Erst nachdem alle Schlachten geschlagen waren, hatte er sich noch schnell mit Ruhm bekleckern wollen. Und selbst dabei war er kläglich gescheitert. Nein, für diesen Dichterfürsten und Weiberhelden hatten die Männer wenig übrig.
    Aber dass dieser Guis uns am Ende auch noch belehren wollte, was einen guten Edelmann auszumachen habe, das ging zu weit. Vom Streben nach hehren Zielen war die Rede, vom Schutz der Schwachen und dass in allem das rechte Maß zu wahren sei.
Comtessa
Elena unterstützte ihn nach Kräften, setzte sich für die Einhaltung des Kirchenfriedens ein und der Pflicht eines jeden aufrechten Mannes, das Böse in der Welt zu bekämpfen. Nun, dagegen war

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