Der Bastard von Tolosa / Roman
nichts einzuwenden. Doch als der Gascogner erklärte, allein die Liebe erhebe den Menschen über seine niedere Natur, weshalb ein Ritter gut daran tue, sich einer edlen
Domna
zu unterwerfen, um ihr allein zu dienen, da sträubte sich so manchem in der Runde das Nackenhaar.
»Ich weiß nicht, de la Troya, aber meine Pflicht ist es, Mauren zu erschlagen und gute Beute zu machen«, bemerkte Bernard de Lussac trocken, ein alter Haudegen aus Tolosa, dem die Männer fröhlich lärmend beipflichteten. Keiner von ihnen konnte sich als Krieger für einen Weiberrock sehen.
De la Troya nannte unseren Freund daraufhin einen Barbaren ohne edle Gesinnung und verbreitete sich weiter ausufernd über die Wonnen der
fin’ amor,
der hohen, reinen Liebe. Glücklich sei der, der einer noblen Dame dienen dürfe, um durch edle Taten ihre Gunst und Liebe zu erringen.
Duc
Guilhem selbst habe berühmte Lieder hierzu verfasst. Die Männer gafften. Das war eine Welt, die wir nicht kannten und die uns so fremd erschien, dass es zum Lachen reizte.
»Dass Duc Guilhem sich unter den Röcken der Weiber gut auskennt, ist ja allgemein bekannt«, ließ sich Bernard de Lussac erneut vernehmen. »Aber wie man dabei zu Ehren kommen soll, ist mir nicht geläufig.«
Besonders Raimon Pilet war es zu viel geworden. »Ich wette mein Schlachtross gegen einen Esel«, rief er in seiner tiefen Bassstimme, »dass dieser Modegeck beim ersten Türkenangriff sich seine ganze edle Gesinnung in die Hosen scheißt!«
Totenstille folgte diesen Worten, Entsetzen in den Augen der
Comtessa.
Guis de la Troya war aufgesprungen, die Hand am Schwertgriff, während Pilet ihn herausfordernd anstarrte. Dann aber fing einer der Hauptleute an zu wiehern, und plötzlich lachte die ganze Tafelrunde, nicht enden wollendes Johlen und auf die Schenkel Klopfen folgte. Selbst Bertran konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, wiewohl er Pilet einen warnenden Blick zuwarf.
Daraufhin entschuldigte sich Pilet bei der
Comtessa
für die derben Worte, und Bertran gelang es, den Gascogner zu beschwichtigen.
Domna
Elena nahm die Entschuldigung ernst, aber nicht ohne ein tadelndes Stirnrunzeln an. Doch das Gelächter an der Tafelrunde wollte nicht aufhören. Immer wieder gluckste jemand in seinen Bierhumpen. Bis die
Comtessa
uns, sichtlich verschnupft, noch einen angenehmen Abend wünschte und sich zurückzog. Das war auch für mich die Gelegenheit, mich endlich von der Tafelrunde zu verabschieden, denn der Abend war mir lang geworden.
»Jaufré, soll ich dir einen Wachtrupp zur Begleitung mitgeben?«, fragte Bertran.
»Nicht nötig, Herr. Es ist nur ein kurzer Weg.«
Ich hastete durch die Gänge des Palastes, um meinen Hengst zu suchen. Sie würden noch Stunden zechen, aber ich war froh, die frische Nachtluft zu atmen und die stürmischen Gedanken zu ordnen, die Odos Brief in mir aufgewirbelt hatte.
Ghalib schnaubte unruhig, als ich mich vor dem Tor auf seinen Rücken schwang. Auch wenn die Stadt noch nicht schlief, so waren viele Feuer und Lampen bereits gelöscht, und die Gassen lagen in Dunkelheit.
Ich blickte zurück. Auf den Zinnen des Palastes ließen sich die Schatten der Bogenschützen erkennen, die ihre Runden machten. Gelächter drang schwach herüber. Es musste Bertrans Gesellschaft sein. Ein kühler Wind wehte vom Meer und zerrte an meinem Umhang. Ich ritt langsam durch Al-Mina, bis ich zu den Mauern kam. Am Tor traten Wachmänner aus den Schatten.
»Gott zum Gruß,
Castelan.
«
»Ist alles ruhig?«
»Sieht so aus. Trotzdem gebt acht,
Mossenher!
«
Ich winkte ihnen zu und brachte den Rappen in einen leichten Trab. Der Platz vor dem Tor lag verlassen da. In den gegenüberliegenden Häusern der Vorstadt brannten vereinzelt Lichter, ansonsten lag bleiches Mondlicht über den Dächern. Auch in den Straßen und Gassen war kaum mehr jemand unterwegs. Dafür scholl Musik aus entfernten Tavernen, und vereinzelt winkten die bunten Lichter der Trinkstuben und Hurenhäuser aus der Schwärze der winkligen Gassen.
Die Abschrift des Briefes, die Bertran mir gegeben hatte, steckte in meiner Tunika, und das kühle Pergament schien mir auf der Haut zu brennen. Heiliger Herrgott! Wie lange war es nun schon her, dass ich die Heimat verlassen hatte? Nicht älter als achtzehn oder neunzehn war ich damals gewesen und wie unzählige Edelleute aus dem ganzen Süden nach Clermont geritten, um Papst Urban zu hören. Und welch flammende Ansprache hatte er gehalten, die allen das Herz geöffnet
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