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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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den Zinnen zu, die bei meinem Erscheinen ihr leises Gespräch unterbrachen, aufrechter standen und ihre Speere fester packten.
    Ich blickte hinaus in die Nacht. Im fahlen Mondlicht und in vollkommener Ruhe lag die Vorstadt unter mir, nur vereinzelte Lichter hier und da. Aber dort unten im Gewirr der Gassen ging heute Nacht der lautlose Tod um. Es war nicht die Gefahr eines Kampfes, die mich erschreckte. Doch dies war ein Feind, den man nicht greifen konnte. Wie Geister, die ihr Unwesen treiben und im Licht der Laterne verblassen. Lautlose, vermummte Gestalten, die in finsteren Ecken auf ihre Opfer lauerten, um hinterrücks zu morden und dann ohne Spur zu verschwinden. Eine Heimsuchung wie aus den Tiefen der Hölle. Waren sie überhaupt aus Fleisch und Blut? Unwillkürlich schlug ich ein Kreuz.
    Als ich später in meine Gemächer trat, war mir nicht mehr danach, Adela zu besuchen. Ich redete mir ein, dass es zu spät sei, um an Euthalias Tür zu klopfen. In Wahrheit war ich in einem zu erregten Zustand, um Adelas zornige Blicke zu ertragen, so wie heute Nachmittag. Morgen würde ich in Ruhe mit ihr reden.

Das Strafgericht
    Sancta Maria von Ägypten, Patronin der Büßerinnen und reumütigen Sünderinnen, beschützt vor Fieber
    Sexta Feria, in der Nacht, 1. Tag des Monats April
    E ine einsame Öllampe brannte in meinem Gemach.
    Alexis hatte mir einen großen Krug Wein und etwas zu essen hingestellt. Ich merkte, wie ausgetrocknet meine Kehle war, und leerte einen vollen Becher in einem Zug und ohne Genuss. Dann ließ ich mich in meinen Lehnstuhl fallen und zog die Stiefel aus. Auch den zweiten Becher trank ich in großen Zügen, entschlossen, mich ernsthaft zu betrinken.
    Die Hand, die den Becher hielt, zitterte. Es ist der Schreck über den Angriff der vermummten Krieger, sagte ich mir.
    Der Wein und ich waren alte Kameraden und lang vertraut miteinander. Soldaten und zügelloses Trinken gehören zusammen wie Schweine und Scheiße. Ich hatte mein Quantum Wein in den Feldlagern zum Überdruss genossen und oft genug mich und andere unter den Tisch gesoffen. Das bringt der verdammte Krieg mit sich. Nicht wenige versuchen, sich kurz vor der Schlacht Mut anzutrinken, und gehen halb besoffen ins Gefecht. So weit hatte ich es gottlob nie kommen lassen. Aber es hatte Zeiten gegeben, da war ich selten nüchtern gewesen. Man versucht, sich Nacht für Nacht in eine bleierne Bewusstlosigkeit zu trinken, nur um immer wieder von den gleichen Bildern schreiend aus dem Schlaf gerissen zu werden. Besonders nach dem Elend und Grauen von Antiochia war mein Herz wie tot gewesen, als könnte es keine Regung mehr empfinden. Nur der Wein machte das Leben erträglich.
    Euthalia hatte gesagt, ohne Frauen verlottern und verrohen wir Männer. Da ist etwas dran. Jedes Heerlager ist Zeugnis dafür. Spielen, saufen, huren und sich prügeln. Nur die harte Hand des Kriegsherrn hält die Männer im Zaum, oder noch besser, die sanfte ihrer eigenen Weiber.
    Wie ging noch jener Vers des fahrenden Sängers aus Arles?
    Ben a mauvais cor e mendic,
qui ama e no’s melhura.
    Ein wohl schlechtes und armseliges Herz besitzt, wer sich durch Liebe nicht zum Besseren bekehren lässt.
Ähnlich hatte jener Gascogner heute Abend bei Bertrans Gastgelage gesprochen. Natürlich war nicht die Fleischeslust gemeint, sondern die reine, unerfüllte Liebe.
    Von solchen Dingen redeten sie also daheim an den Höfen der großen Familien. Als sei die Liebe ein Allheilmittel, als könne sie die Welt verändern. Welch abartiger Gedanke hier in Outremer. Kann die Liebe uns etwa die Seldschuken vom Leibe halten? Hätte sie mich heute Nacht vor den schwarzen Kriegern beschützt oder gar unsere eigenen Barbareien abgewendet?
    Wie könnte ein Mann jemals Ma’arrat-an-Numan vergessen? Ungehindert von den Fürsten war der Pöbel plündernd in diese unglückliche Stadt eingedrungen. Dabei war es zu fürchterlichsten Maßlosigkeiten gekommen. Die sogenannten
tafurs,
die Ärmsten unter den Armen der
militia,
dreckig, zerlumpt, halb verhungert, sie hatten Muslime bei lebendigem Leibe gekocht und sich johlend um ihr Fleisch gebalgt, ja sogar Kinder auf Spießen gebraten und gelacht, während sie diese vertilgten. Wie konnte so etwas möglich sein? Und doch war es die schreckliche Wirklichkeit in diesem Land.
    Wenn dann so ein hergelaufener Gascogner von der hohen Liebe singt, so klingt es wie Hohn in den Ohren. Die Frage nach Sinn und Ziel des ritterlichen Lebens hatte der Mann wie einen

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