Der Bastard von Tolosa / Roman
aufschreckte.
Ruckartig und mitten im Lauf hatte das Tier die Vorderhufe in den Boden gestemmt, so dass ich fast vornüber aus dem Sattel gefallen wäre. Nun tänzelte er nervös auf der Stelle. Hier war die Straße finster. Die Bewohner der Häuser links und rechts lagen längst in ihren Betten und hatten die Öllampen gelöscht. Ghalib riss jäh den Kopf hoch und gab ein schrilles Wiehern von sich. Was hatte ihn so erschreckt?
Da gewahrte ich zwei dunkle Gestalten vor mir, nur schemenhaft im Licht des Mondes zu erkennen, zumal die Häuser tiefe Schatten warfen. In jenem kurzen Augenblick, der mir verblieb, sah ich, dass sie ganz in Schwarz gekleidet waren. Weite Umhänge, Tücher um den Kopf geschlungen, vermummte Gesichter. Sie bewegten sich lautlos. Die gezogenen Krummschwerter dagegen, die sie hoch über den Köpfen hielten, blitzten bedrohlich auf. Sie hatten es zweifelsohne auf mich abgesehen.
Ich handelte, ohne nachzudenken.
Blitzschnell kam mein Schwert aus der Scheide. Gleichzeitig legte ich mich über Ghalibs Hals und stieß ihm die Fersen in die Flanken. Der Rappe machte einen Satz nach vorn. Eine der Gestalten sprang mir in den Weg. Funken sprühten, als ich seinen Hieb abwehrte, mein Schwert klang hell wie ein Schmiedeschlag auf den Amboss. Dann trug mich Ghalib in vollem Galopp die Gasse entlang.
Wild schlug mir das Herz in der Brust, aber ich zügelte den Hengst an der nächsten Kreuzung und drehte mich um.
Nichts mehr zu sehen. Die Kerle waren verschwunden, mit den Schatten verschmolzen. Alles schien menschenleer zu sein. Und totenstill. Als verkröchen sich die Menschen vor Angst in ihren Betten.
Ich blickte die Querstraße hinunter. Da waren sie wieder. Dunkle Schatten huschten über die Straße. Auch in der anderen Richtung entdeckte ich Bewegung. Sie mussten weiche Schuhe tragen, denn Schritte hörte man nicht. Wollten sie mir den Weg abschneiden? Sie schienen mich zu jagen. Lautlos. Dann hörte ich Pferdehufe hinter mir. Mehrere Reiter. Waren es Provenzalen oder noch mehr Muslimkämpfer?
Ich nahm mir nicht die Zeit, es herauszufinden. Stattdessen gab ich Ghalib die Sporen, und wir jagten in Richtung der Festung. Es war mir, als hörte ich galoppierende Verfolger. Ohne Panzerung war ich leichter für den Hengst und durfte so hoffen zu entkommen.
Mit einem Mal spürte ich unverkennbar den Luftzug eines Pfeils, der knapp an mir vorbeischoss. Ich lenkte Ghalib in vollem Galopp in eine Seitengasse, um weiteren Pfeilen zu entgehen. Ghalibs Hufe rutschten, und von den Pflastersteinen stoben Funken auf. Fast wären wir gegen eine Mauer geprallt, doch der Hengst fing sich, und wir galoppierten bis zur nächsten Ecke, um erneut zu wenden und wieder unsere Richtung zur Festung aufzunehmen.
In diesem Augenblick sprangen zwei vermummte Krieger mit erhobenen Schwertern aus einem Mauerschatten. Ghalib jagte in vollem Galopp weiter. Einen der Kerle ritten wir nieder, den anderen erwischte ich irgendwo mit dem Schwert an der Schulter, denn ich spürte den Schlag auf Fleisch und Knochen und hörte einen heiseren Schrei.
Dann waren wir vorbei und rasten wie verfolgt von allen Furien der Hölle. Dunkle Häuser huschten an uns vorüber, und Ghalibs Hufschläge dröhnten durch die Gassen.
Endlich kam die Festung in Sicht. Wir galoppierten die lange Rampe hinauf. Erst am Burgtor machte ich halt und schaute schwer atmend zurück. Nichts mehr zu sehen oder zu hören. Die Vorstadt lag wie verlassen da. Als hätte ich mir den Spuk nur eingebildet.
Unheimlich.
Wachen traten aus dem Dunkel des Tors. Sie nahmen Ghalib beim Zügel, und ich stieg ab. »Alles in Ordnung,
Castelan?
«
»Die schwarzen Krieger sind wieder da.«
Mein Herz klopfte immer noch wild, und ich konnte mich eines Schauderns nicht erwehren. Die Männer der Wache bekreuzigten sich. Ich untersuchte Ghalib nach Verletzungen und fand Blut an meiner Hand. Ein kleiner Schnitt an seinem Hals, nichts Schlimmes gottlob.
»Sollen wir Alarm schlagen?«, fragte der Hauptmann der Wache. Ich hätte einen Trupp der Bereitschaft zusammenstellen können, um die Vorstadt zu durchkämmen. Doch sie hätten nichts gefunden. Vor Wochen war Ähnliches vorgefallen, und die Durchsuchung der Stadt hatte nichts ergeben. Nicht einmal einen Schatten hatten wir entdecken können.
»Nein. Es wäre vergebliche Mühe. Aber verdoppelt die Wachen und haltet rundum die Augen auf.«
Ich stieg die Stufen des Wachturms am Burgtor empor und nickte den beiden Wachmännern auf
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