Der Bastard
habe ich ihr die Fesseln abg e nommen und sie aus dem Wagen gestoßen. Dann bin ich ein ganzes Stück zurückgefahren und habe g e wartet, dass die Sonne aufgeht. Ich habe das Gewehr und das Wasser an mich genommen und bin zur Straße gelaufen. Ein Auto hat mich mitgenommen. Ich war selbst überrascht, dass es so gut geklappt hat und niemand Fragen gestellt hat.»
Pia sah Anna durch die Nacht taumeln, voller Angst auf die Geräusche lauschen. Hatte sie gehört, wie sich der Löwe näherte? Vielleicht war es auch ein anderes Tie r g ewesen, das Anna als Beute erkannt und angesprungen hatte. Sie wollte nicht weiterde n ken.
Pia schluckte. Sie durfte sich nichts anmerken lassen.
«Und bei Henry bist du auch in Panik geraten?»
«Er stand einfach vor meiner Tür und verlangte, seinen Großvater zu sprechen.»
Clara lächelte. «Ich habe erst überhaupt nicht verstanden, was er wollte. ‹ Ich bin Annas Sohn › , sagte er. Ich erklärte ihm, dass Anna nicht unsere Tochter, so n dern nur unsere Schwiegertochter gewesen ist und dass wir somit auch nicht seine Großeltern wären. Aber er bestand darauf. Ich war kurz davor, ihn wegzujagen, als er sagte, Jonathan sei sein Vater.
Da habe ich es endlich begriffen. Ich bat ihn herein und sagte ihm, er könne drinnen warten. Ich gab ihm zu essen und unterhielt mich mit ihm. Dann ging ich hinaus und ließ die Wanne volllaufen. Ich erklärte ihm, ich hätte gerade gebadet und bekäme den Stö p sel nicht mehr raus, ob er mir helfen könne. Er war ein höflicher Junge und folgte mir ins Bad. Als er sich hinunterbeugte, musste ich nur noch seinen Kopf nach unten drücken. Der Rest war leicht, ich hatte auch ein wenig Glück. Ich war allein im Haus, Heinrich war noch auf dem Empfang geblieben, das Personal hatte Ausgang. Neugierige Nachbarn waren auch kein Problem, du weißt, wo wir wohnen. Ich bin am Kloster Oberzell abgebogen. Dort kommt man mit dem Auto sehr dicht ans Wasser heran. Es war dunkel, und es ging sehr schnell.»
«Und wie willst du es nun mit mir machen?»
«Wenn du klug bist, geschieht dir nichts. Ich will nur das Testament.»
«Es liegt in meinem Büro.»
«Du lügst.»
Clara kam dicht an die Wanne heran.
«Ich muss nur deine Beine anheben.»
Sie griff nach ihren Knöcheln, und Pia begann zu strampeln. Doch das Wasser machte sie leicht, und der Wannenrand bot kaum Widerstand. Sie fühlte, wie das Wasser über ihr zusammenschwappte. Sie ruderte panisch mit den Armen. Clara drückte ihre Knöchel wieder nach unten, und Pia schnappte nach Luft.
«Du bist verrückt.»
Pia hatte Angst. Clara war fähig, ihre Drohung wahrzumachen.
«Wenn du mich umbringst, bist du keinen Schritt weiter. Du weißt nicht, wo das Testament ist. Im Gegenteil, du läufst Gefahr, dass dir zwar die Morde an Anna und Henry nicht nachgewiesen werden können, aber der an mir.»
«Das lass meine Sorge sein.»
Pia umfasste mit der linken Hand fest den Wannenrand. Mit aller Kraft, die sie hatte, riss sie einen Fuß aus Claras Umklammerung und stieß zu. Ihr Fuß traf Claras Brust und ließ sie nach hinten stolpern. Pia nutzte die Gelegenheit und stemmte sich aus dem Wasser. So schnell sie konnte, stieg sie aus der Wa n ne und stand nackt und tropfnass Clara gegenüber, die ihr Gleichgewicht wiedergefunden ha t te.
«Was nun, Clara? Glaubst du, du bist stärker als ich?»
«Ich habe kein Kind im Bauch, um das ich mir Sorgen machen muss. Und ich habe das hier.» Sie griff in die Jackentasche und holte ein Messer hervor, in de m P ia ihr eigenes erkannte. Das ließ sie verstummen. Clara ging rückwärts zur Tür. Kurz bevor sie sie erreicht hatte, hörten sie Glas splittern, und unmittelbar danach stand Maximilian im Türra h men.
«Mutter! Es ist vorbei. Komm raus und lass Pia sich abtrocknen.»
Clara starrte auf ihren Sohn. Sie bewegte sich ke i nen Millimeter. «Maximilian, verschwinde. Das regle ich.»
«Du regelst jetzt gar nichts mehr.»
Er ging einen Schritt auf sie zu.
«Du hast genug angerichtet.»
«Er hat sein Testament geändert. Es ist hier irgendwo. Wir müssen es finden und vernichten. Sonst wird dieser schwarze Bastard dir alles wegnehmen.»
«Er kann mir nichts wegnehmen.»
«Die Klinik. Dein Vater ist nicht mehr bei Si n nen.»
«Er ist gestorben.»
Clara sah wortlos auf den Boden. Dann blickte sie auf und fasste Maximilian am Arm.
«Er ist an allem schuld.»
«Von wem sprichst du?»
«Dein Vater hat sich nicht beherrschen können. Und deine Frau hat es
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