Der Bastard
wenn nicht, dann bist du an allem schuld. C ’ est la vie.»
Auch diesen Ratschlag nahm Kilian gelassen hin. Er musste sich wohl darauf einstellen, dass er noch mehr in den nächsten Monaten zu hören bekam.
«Und genau das ist es», fuhr Heinlein fort, «was ich an diesem Kingsley nicht verstehe.»
«Was meinst du?»
«Dieses seltsame Unbeteiligtsein. Er zeigt keinerlei Gefühl. So, als ginge ihn das alles überhaupt nichts an.»
«Er sollte also reagieren wie du?»
«Das ist doch eine völlig natürliche Verhaltensweise. Wie kann man den Tod seines eigenen Kindes ü bergehen, als sei nichts geschehen? Unfassbar. Was ist das nur für ein Mensch?»
Kilians Telefon unterbrach sie. Er nahm ab. Eine Frau meldete sich. «Oberschwester Mathilda. Sie wollten mit mir sprechen?»
«Vielen Dank für Ihren Rückruf. Ich wollte wi s sen, ob Dr. Maximilian Sibelius am Donnerstagabend nach Dienstschluss nochmal in der Klinik war.»
Sie dachte nach. «Ja, er kam spät. Ein Patient wol l te mit ihm sprechen.»
«Wie lange hat das gedauert?»
«Eine halbe Stunde ungefähr.»
«Dann verließ er sofort wieder das Haus?»
«Ja, ich glaube schon. Es war schließlich sein Feierabend.»
Damit schied Maximilian aus dem Kreis der Verdächtigen aus, ging es Kilian durch den Kopf. In der kurzen Zeit zwischen Verlassen der Klinik und Rückkehr zum Bauernhof seiner Freundin hatte er kaum e i ne Möglichkeit gehabt, um …
Mathilda holte ihn aus seinen Gedanken. «Frau May will noch mit Ihnen sprechen.»
«Hallo, Herr Kilian», sagte Alexandra May, die Maximilians Flugschein aus dem Archiv besorgt ha t te. «Ich weiß nicht, ob das interessant für Sie ist, aber ich habe beim Einsortieren der Belege noch etwas gefunden.»
«Ich höre.»
«Ein Brief von der Lufthansa in Nairobi. Es geht um ein verlorengegangenes Gepäckstück. Allerdings bezieht sich das Schreiben auf einen Flug, der ein paar Tage früher stattgefunden hat. Dabei handelte es sich aber nicht um Dr. Maximilian Sibelius.»
36
N ach dem Gespräch mit Pia hatte sich Clara in den Aufenthaltsraum gesetzt und gemerkt, dass ihr der Magen knurrte. Sie ging in die Cafeteria und erkan n te vom Eingang aus, dass an einem der hinteren T i sche Ubunta, Jonathan und Max saßen. Sie schienen sich leise zu unterhalten. Clara schritt geradewegs auf sie zu und blieb zwischen Maximilian und Jonathan stehen.
«Eine kleine Familienfeier?»
«Mutter!»
Maximilian stand auf.
«Ist Vater …»
«Nein, deinem Vater scheint es gutzugehen. Auch wenn ich das nicht mit Bestimmtheit sagen kann. Er empfängt Gott und die Welt. Nur mich will er nicht sehen.»
Sie blickte sich um. Die Cafeteria war um diese Zeit nahezu leer. Nur an einem Tisch unterhielten sich leise ein Mann und eine hochschwangere Frau.
«Soll ich dir einen Stuhl holen?» Maximilian zog vom Nebentisch einen Stuhl heran.
«Danke, ich will nicht stören. Offensichtlich habt ihr Wichtiges zu besprechen.»
Ubunta blickte ruhig in Claras Gesicht. Jonathan stand nun ebenfalls auf.
«Clara, setz dich bitte. Wir besprechen etwas, das dich indirekt auch angeht.»
Clara zog eine Augenbraue hoch.
«Dann lasst hören.»
Sie setzte sich auf die Kante des Stuhls, den Maximilian hinter sie geschoben hatte.
«Papa will in Afrika beerdigt werden.»
«Unsinn», entgegnete Clara scharf. «Er wird in unserer Familiengruft beerdigt.»
Ubunta schaltete sich mit ruhiger und leiser Stimme ein.
«Ihr Mann hat mich heute zu sich gebeten. Er will, dass ich mich darum kümmere, dass er nach seinem Tod nach Afrika zurückkehrt. Wir haben soeben da r über gesprochen, wie wir vorgehen wollen.»
Clara schnaubte verächtlich.
«Heinrichs Beerdigung geht Sie gar nichts an. Ich weiß nicht, was Sie mit ihm gemacht haben, als Sie bei ihm waren. Heute scheint jeder zu glauben, mich ü bergehen zu können. Ich bin seine Frau. Nach seinem Tod werde ich entscheiden, was mit ihm g e schieht.»
«Mutter, du willst ihm doch diesen letzten Wunsch nicht verwehren? Was ist denn dabei? Wenn er in Afrika begraben werden will, dann soll es eben so sein.»
«Halt den Mund, Maximilian. Wir reden später.»
Sie wandte sich an Ubunta und an Jonathan.
«Und Sie gehen jetzt besser. Für heute haben Sie genug angerichtet. Mein Mann stirbt bald. Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt für Streitereien. Ich kann verstehen, dass Sie Ihrem Groll gegen Heinrich Luft m a chen wollen, aber bitte nicht heute.»
Jonathan lachte. Es war kein Auflachen, sondern ein tiefes
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