Der Bauch von Paris - 3
und in solch einem Durcheinander von Farben und Formen, daß Claude vor Entzücken darüber lachte. Florent war an der Ecke der Rue Mondétour gegenüber dem vorletzten Haus zur Linken stehengeblieben. Die drei Stockwerke mit ihren zwei Fenstern ohne Jalousien und ihren kleinen weißen, hinter den Scheiben sorgfältig zugezogenen Vorhängen schliefen. Oben ging hinter den Vorhängen eines schmalen Giebelfensters ein Licht hin und her. Aber der Laden unter dem Regenschutzdach schien Florent in ungewöhnliche Erregung zu versetzen. Eben wurde er geöffnet. Es war ein Laden, in dem es gekochtes Gemüse gab. Im Hintergrund glänzten Kochkessel. Spinat und Schikoreepasteten in Terrinen auf dem Auslagetisch waren abgerundet und liefen spitz aus, bereits aufgeschnitten mit kleinen Schaufeln, von denen nur der blanke Metallgriff zu sehen war. Bei diesem Anblick blieb Florent wie festgenagelt stehen. Er erkannte den Laden wohl nicht wieder. Er las den Namen des Kaufmanns Godebœuf auf einem roten Schild und verharrte bestürzt. Die Arme hängen lassend, betrachtete er die Spinatpasteten mit dem verzweifelten Gesicht eines Menschen, dem ein außerordentliches Mißgeschick widerfährt.
Inzwischen hatte sich das Giebelfenster geöffnet; eine kleine alte Frau beugte sich heraus, blickte nach dem Himmel und dann weiter zu den Markthallen hinüber.
»Sieh einmal an! Mademoiselle Saget ist ja früh auf«, sagte Claude, der in die Höhe gesehen hatte. Und er fügte hinzu, sich an seinen Begleiter wendend: »Ich habe eine Tante in diesem Hause gehabt. Das ist hier vielleicht eine Klatschbude … Ah! Jetzt regt es sich bei Méhudins; im zweiten Stock brennt Licht.«
Florent wollte Fragen an ihn richten, aber er fand ihn besorgniserregend in seinem weiten, verschossenen Mantel; er folgte ihm weiter, ohne ein Wort zu sagen, während der andere von Méhudins erzählte. Sie seien Fischhändlerinnen. Die ältere sei prachtvoll, die jüngere, die Süßwasserfische verkaufe, ganz blond und ähnele inmitten ihrer Karpfen und Aale einer Madonna von Murillo. Und ärgerlich bemerkte er dabei, daß Murillo8 doch wie ein toller Bursche male. Dann blieb er plötzlich mitten auf der Straße stehen:
»Also, wohin gehen Sie nun eigentlich?«
»Ich will im Augenblick nirgendwohin«, antwortete Florent niedergedrückt. »Gehen wir, wohin Sie wollen.«
Als sie aus der Rue Pirouette kamen, wurde Claude von einer Stimme hinten aus dem Laden eines Weinhändlers an der Ecke angerufen. Claude trat ein und zog Florent mit sich. Nur an der einen Seite waren die Fensterläden abgenommen. Das Gas brannte in der noch schläfrigen Luft des Raums; ein vergessener Lappen und Karten vom Abend vorher lagen auf den Tischen herum, und der Luftzug von der großen offenen Tür drang frisch und scharf in den warmen, eingeschlossenen Weindunst. Der Wirt, Herr Lebigre, bediente die Gäste in einer Unterjacke, seine Bartkrause noch ganz zerzaust und sein grobes, regelmäßiges Gesicht ganz blaß vom Schlaf. Männer mit blauen Rändern um die Augen standen in Gruppen vor der Theke, tranken hustend und spuckend und machten sich mit Weißwein und Schnaps vollends wach. Florent erkannte Lacaille, dessen Sack jetzt von Gemüse überquoll. Er war bei der dritten Runde mit einem Kumpel, der lang und breit vom Kauf eines Korbes Kartoffeln erzählte. Als er sein Glas geleert hatte, ging er mit Herrn Lebigre in ein kleines verglastes Gelaß im Hintergrund, wo das Gas nicht angezündet war, etwas besprechen.
»Was wollen Sie trinken?« fragte Claude Florent.
Beim Eintreten hatte er dem Mann, der ihn hereingerufen, die Hand geschüttelt. Es war dies ein kräftiger, gut aussehender Bursche von höchstens zweiundzwanzig Jahren, der rasiert war, nur einen kleinen Schnurrbart trug und fidel aussah mit seinem weiten kreidebeschmierten Hut und seinem Nackenschutz aus Teppichstoff, dessen Gurte seine blaue Jacke zusammenschnürten. Claude redete ihn mit Alexandre an, schlug ihm auf die Arme und fragte ihn, wann sie nach Charentonneau gehen würden. Und sie sprachen von einem großen Ausflug, den sie zusammen in einem Boot auf der Marne unternommen hatten. Am Abend hatten sie dann Kaninchen gegessen.
»Also, was trinken Sie?« fragte Claude von neuem.
Florent sah sehr verlegen auf die Theke. An dem einen Ende wurden mit Kupferreifen versehene Teekannen mit Punsch und Glühwein über den kleinen blauen und rosa Flammen eines Gaskochers heiß gemacht. Er gestand schließlich, daß er gern
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