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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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etwas Heißes zu sich nehmen würde. Herr Lebigre brachte drei Gläser Punsch. Bei den Teekannen stand ein Korb mit Butterbrötchen, die soeben gebracht worden waren und noch dampften. Aber die anderen nahmen nicht davon, und Florent trank sein Glas Punsch; er fühlte das Getränk in seinen leeren Magen hinabfallen wie einen Strahl geschmolzenes Blei. Alexandre bezahlte.
    »Ein guter Kerl, dieser Alexandre«, meinte Claude, als sie beide wieder auf dem Bürgersteig der Rue Rambuteau standen. »Bei Ausflügen aufs Land ist er sehr spaßig; er macht Kraftstücke. Außerdem ist er prachtvoll, der Bengel; ich habe ihn nackt gesehen, und wenn er mir Modell stehen wollte im Freien … Jetzt wollen wir, wenn Sie mögen, einen Gang durch die Markthallen machen.«
    Florent folgte ihm und ließ sich völlig willenlos führen. Ein heller Schein hinten in der Rue Rambuteau kündigte den Tag an. Die mächtige Stimme der Markthallen grollte lauter; für Augenblicke durchschnitten Glockenschläge aus einer entfernten Halle diesen rollenden und anschwellenden Lärm. Die beiden betraten eine der überdachten Straßen zwischen der Seefischhalle und der Geflügelhalle. Florent blickte hoch und betrachtete das hohe Gewölbe, dessen innere Holzverkleidung zwischen den schwarzen Kanten der Eisengerüste aufleuchtete. Als er in den großen Mittelgang einbog, mußte er an eine seltsame Stadt denken mit ihren unterschiedlichen Vierteln, ihren Vorstädten, ihren Dörfern, ihren Promenaden und ihren Straßen, ihren Plätzen und ihren Kreuzungen, die aus einer gigantischen Laune heraus an einem Regentage ganz und gar unter einen Schuppen gebracht worden ist. Der in den Ausbuchtungen des Daches schlummernde Schatten vervielfachte den Wald der Pfeiler, dehnte die zarten Rippen, die sich abhebenden Emporen und die durchsichtigen Jalousien ins Unendliche; und über der Stadt bis in die Tiefe des Dunkels hinein war alles ein Wuchern, ein Blühen, ein ungeheuerliches Entfalten von Metall, dessen spindelartig hochsteigende Stämme, dessen sich windende und einander umschlingende Äste eine Welt mit dem anmutigen Laub eines hundertjährigen Hochwaldes bedeckten. Ganze Viertel schliefen noch hinter ihren verschlossenen Gittern. In der Butterhalle und der Geflügelhalle standen die kleinen vergitterten Stände in einer Linie und dehnten sich die menschenleeren Gassen unter den Reihen der Gaslaternen. Soeben war die Seefischhalle geöffnet worden. Frauen schritten über die weißen, vom Schatten der Körbe und liegengelassener Lappen gefleckten Steinplatten. Beim Grobgemüse, bei den Blumen und beim Obst wurde der Lärm immer stärker. Nach und nach erfaßte das Erwachen die Stadt, von dem volkreichen Viertel an, wo sich der Kohl von vier Uhr morgens an aufhäuft, zum trägen und reichen Viertel, an dessen Häusern die Masthühnchen und Fasanen erst gegen acht Uhr aufgehängt werden.
    In den großen überdachten Straßen aber strömte das Leben. Längs der Bürgersteige standen auf beiden Seiten noch die Gemüsebauern, kleine Landwirte, die aus der Umgebung von Paris gekommen waren und in Körben ihre Ernte vom Abend vorher ausbreiteten, ein paar Bund Gemüse, einige Handvoll Obst. Mitten durch das unaufhörliche Hin und Her der Menge fuhren die Wagen, den dröhnenden Trapp ihrer Pferde verlangsamend, in die Gewölbe ein. Zwei von diesen Wagen, die man quer hatte stehenlassen, versperrten die Straße. Florent mußte sich, um vorbeizukommen, auf einen der grauen Säcke stützen, die aussahen wie Kohlensäcke und unter deren riesiger Last sich die Wagenachsen bogen. Die Säcke waren feucht und strömten einen frischen Duft nach Seetang aus; einer von ihnen, der an einem Ende geplatzt war, ließ einen schwarzen Haufen großer Miesmuscheln herausrutschen. Bei jedem Schritt mußten sie jetzt stehenbleiben. Die Seefische trafen ein; die Lastwagen folgten einer auf den andern und fuhren hohe Holzgestelle mit Deckelkörben heran, die die Eisenbahn vollbeladen vom Ozean herbringt. Um dem immer dichter und beunruhigender werdenden Gedränge der Wagen mit den Seefischen auszuweichen, flüchteten sie sich zwischen die Räder der Wagen mit Butter, Eiern und Käse, großen gelben vierspännigen Fuhrwerken mit bunten Laternen. Lastträger bemächtigten sich der Kisten mit Eiern, der Körbe mit Käse und Butter und brachten sie in die Versteigerungshalle, wo Angestellte in Mützen beim Schein des Gaslichts in kleine Notizbücher Eintragungen machten. Claude war entzückt

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