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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Strahlen in dem Übelkeit erregenden Brodem, der unter dem Druck des Gewölbes lastete. Frau Lecœur jedoch bereitete an einem der längs der Rue Berger stehenden Tische die Butter zu. Die Kellerluken ließen bleiches Licht hereinfallen. Die Tische, die ständig mit fließendem Wasser aus den Hähnen gewaschen wurden, waren weiß wie neue Tische. Den Rücken der Pumpe im Hintergrund zugekehrt, knetete die Händlerin das Buttergemisch in einem Bottich aus Eichenholz. Sie nahm Proben von den neben ihr stehenden verschiedenen Buttersorten, vermengte sie und verbesserte die eine durch die andere, wie man beim Verschneiden von Weinen verfährt. Tief heruntergebeugt, die Schultern spitz, die bis zu den Schultern nackten Arme mager und knorrig wie Bohnenstangen, vergrub sie wütend die Fäuste in diesen fetten Brei, der ein weißliches und kreidiges Aussehen annahm. Sie schwitzte und stieß bei jeder Anstrengung einen Seufzer aus.
    »Mademoiselle Saget möchte gern mit Ihnen sprechen, liebe Tante«, sagte die Sarriette.
    Frau Lecœur hielt inne und rückte mit ihren Fingern, an denen die Butter klebte, ihre Haube zurecht, ohne anscheinend Angst vor Flecken zu haben.
    »Ich bin sofort fertig, sie soll einen Augenblick warten«, antwortete sie.
    »Sie hat Ihnen etwas sehr Interessantes zu erzählen.«
    »Nur eine Minute noch, meine Kleine.«
    Sie hatte wieder die Arme eingetaucht. Die Butter reichte ihr bis an die Ellbogen. Die vorher in warmem Wasser erweichte Butter ölte ihre pergamentene Haut und ließ die dicken violetten Venen hervorspringen, die ihre Haut gleich Rosenkränzen aus geplatzten Krampfadern bedeckten.
    Die Sarriette fühlte sich angeekelt von diesen garstigen Armen, die sich ereiferten in dieser zergehenden Masse. Aber sie erinnerte sich des Berufes, einst hatte sie auch ihre entzückenden Händchen ganze Nachmittage hindurch in die Butter gesteckt; das da war sogar ihre Mandelcreme, eine Salbe, die ihr die Haut weiß und die Fingernägel rosig erhielt und deren Geschmeidigkeit ihre schlanken Finger bewahrt zu haben schienen. Nach einer Weile bemerkte sie deshalb:
    »Ihr Buttergemisch wird nicht berühmt werden, liebe Tante … Sie haben da zu strenge Buttersorten.«
    »Das weiß ich wohl«, meinte Frau Lecœur zwischen zwei Seufzern, »aber was willst du tun? Man muß alles reinnehmen … Es gibt Leute, die billiges Geld bezahlen wollen, also macht man sie ihnen billig … Sie ist immer noch viel zu gut für die Kundschaft.«
    Die Sarriette dachte, sie möchte diese von den Armen ihrer Tante geknetete Butter nicht gern essen. Sie schaute in einen kleinen Topf mit einer Art roter Farbe.
    »Ihr Orlean ist zu hell«, murmelte sie.
    Orlean dient dazu, dem Buttergemisch eine schöne gelbe Farbe zu geben. Die Händlerinnen glauben, treulich das Geheimnis dieser Farbe wahren zu müssen, die ganz einfach aus dem Samen des Orleanbaumes gewonnen wird; allerdings stellen sie es auch aus Möhren und Ringelblumen her.
    »Kommen Sie doch endlich!« rief die junge Frau, die ungeduldig wurde und den fauligen Kellergeruch nicht mehr gewohnt war. »Mademoiselle Saget ist vielleicht schon wieder fortgegangen … Sie muß sehr schwerwiegende Dinge über meinen Onkel Gavard wissen.«
    Madame Lecœur arbeitete mit einemmal nicht mehr weiter; sie ließ Buttergemisch und Orlean stehen und wischte sich nicht einmal die Arme ab. Mit einem leichten Klaps rückte sie ihre Haube wieder zurecht, folgte ihrer Nichte auf den Fersen die Treppe hinauf und wiederholte mehrmals besorgt: »Meinst du, daß sie nicht auf uns warten wird?« Sie beruhigte sich jedoch, als sie Fräulein Saget inmitten der Käse gewahrte.
    Sie hatte gar nicht daran gedacht, fortzugehen. Die drei Frauen setzten sich hinten in den engen Laden. Dort hockten sie dicht beieinander und schwatzten, die Nasen zusammengesteckt.
    Gute zwei Minuten bewahrte Fräulein Saget Schweigen, und als sie sah, daß die beiden anderen vor Neugierde brannten, legte sie mit ihrer spitzen Stimme los:
    »Wissen Sie, dieser Florent! – Na, ich kann Ihnen jetzt sagen, wo er herkommt!« Und noch einen Augenblick ließ sie die beiden an ihren Lippen hängen. »Er kommt aus dem Zuchthaus«, verkündete sie endlich mit furchtbar gedämpfter Stimme.
    Rings um die drei stanken die Käse. Im Hintergrund reihten sich auf den beiden Wandbrettern des Ladens riesige Butterklumpen aneinander: Butter aus der Bretagne in Körben quoll über; die in Leinwand gewickelte Butter aus der Normandie ähnelte den

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