Der Bauch von Paris - 3
kupferroten Kastanienäpfel, die blonden, mit Sommersprossen besprenkelten Renetten; dann die verschiedenen Birnen, die Zuckerbirnen, Angleterres, Butterbirnen, Herrenbirnen, Duchesses, untersetzte, längliche, mit Schwanenhälsen oder Apoplektikerschultern, gelbe und grüne, die Bäuche mit einer Prise Karmin belebt. Daneben zeigten die durchscheinenden Pflaumen die bleichsüchtigen Lieblichkeiten von Jungfrauen; Reneklauden und Herrenpflaumen waren erbleicht durch einen Anflug von Unschuld. Die Mirabellen reihten sich aneinander wie die goldenen Perlen eines Rosenkranzes, der in einer Schachtel mit Vanillestangen vergessen worden war. Und auch die Erdbeeren strömten einen frischen Duft aus, einen Duft nach Jugend, besonders die kleinen, die man in den Wäldern sammelt, mehr als die großen Gartenerdbeeren, die nach der Schalheit der Gießkanne rochen. Die Himbeeren fügten eine würzige Blume in diesen reinen Geruch. Die roten und schwarzen Johannisbeeren und die Haselnüsse lachten mit verschmitzten Mienen, während Körbe mit Wein, schwere Trauben, auf denen Trunkenheit lastete, vor Wonne am Rande des Weidengeflechts vergingen und ihre von zu heißer Sonnenwollust versengten Beeren zurücksinken ließen.
Die Sarriette lebte dort wie in einem Obstgarten im leichten Rausch der Gerüche. Das billige Obst, Kirschen, Pflaumen und Erdbeeren, das sich vor ihr in flachen, mit Papier ausgelegten Körben häufte, befleckte die Auslage mit kräftigem Saft, der in der Hitze dampfte. An glühenden Nachmittagen im Juli fühlte sie auch, wie sich ihr der Kopf drehte, wenn die Melonen sie mit einem starken Moschusdampf umgaben. Trunken ließ sie dann mehr von ihrem kaum reifen und ganz frühlingsfrischen Fleisch unter dem Brusttuch sehen, führte einem den Mund in Versuchung und gab einem die Lust zu plündern ein. So war sie es – ihre Arme, ihr Hals –, die ihren Früchten dieses verliebte Leben, diese atlasartige Frauen wärme verlieh. Auf dem Verkaufsstand daneben breitete eine alte Händlerin, eine fürchterliche Säuferin, lediglich runzlige Äpfel, wie leere Brüste schlaffe Birnen, leichenhafte Aprikosen von niederträchtigem Hexengelb aus. Die Sarriette aber machte aus ihrer Auslage eine große nackte Wollust. Ihre Lippen hatten Kirsche um Kirsche gleich roten Küssen hingelegt. Aus ihrem Mieder ließ sie die seidigen Pfirsiche fallen. Sie stattete die Pflaumen mit ihrer zartesten Haut aus, mit der Haut ihrer Schläfen, ihres Kinns, ihrer Mundwinkel. Ein wenig von ihrem roten Blut ließ sie in die Adern der Johannisbeeren fließen. Ihre Gluten eines schönen Mädchens versetzten diese Früchte der Erde in Brunst, all diese Samen, deren Lieben sich auf einem Blätterbett in der Tiefe mit Moos ausgeschlagenen Alkoven der kleinen Körbe vollendete. Hinter ihrem Laden hatte der Blumengang einen schalen Wohlgeruch im Vergleich zu dem Lebensarom, das von ihren angebrochenen Körben und unordentlichen Kleidern ausging.
An diesem Tage war die Sarriette ganz benebelt von einer Anlieferung Mirabellen, die den Markt überschwemmte. Sie sah wohl, daß Fräulein Saget irgendeine große Neuigkeit hatte und wollte sie zum Sprechen bringen, aber die Alte trippelte vor Ungeduld.
»Nein, nein, ich habe keine Zeit … Ich eile zu Madame Lecœur. Ah! Ich weiß schöne Dinge! – Kommen Sie mit, wenn Sie wollen.«
In Wahrheit war sie nur durch die Obsthalle gegangen, um die Sarriette mitzunehmen. Diese vermochte der Versuchung nicht zu widerstehen. Herr Jules war da, der sich, rasiert und frisch wie ein Posaunenengel, auf einem umgedrehten Stuhl in den Hüften wiegte.
»Paß einen Augenblick auf den Laden auf, nicht wahr?« sagte sie zu ihm. »Ich komme sofort zurück.«
Er stand jedoch auf und rief ihr, als sie um die Ecke bog, mit seiner fettigen Stimme nach:
»Nichts da, Lisette! Du weißt, ich haue ab … Habe keine Lust, eine ganze Stunde auf dich zu warten wie neulich … Außerdem bekomme ich Kopfschmerzen von deinen Pflaumen.« Seelenruhig, die Hände in den Taschen, ging er davon.
Der Stand blieb allein. Fräulein Saget trieb die Sarriette zur Eile an. In der Butterhalle sagte ihr eine Nachbarin, Frau Lecœur sei im Keller. Die Sarriette ging hinunter, sie suchen, während sich die Alte inmitten der Käse niederließ.
Unten im Keller war es sehr dunkel. Längs der Gassen sind die Vorratsräume mit feinmaschigem Metallgewebe ausgeschlagen, um Bränden vorzubeugen. Die sehr wenigen Gaslampen bildeten gelbe Flecke ohne
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