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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Stimme:
    »Das war der kleine Murx … Ich bringe sie Ihnen zurück, verstehen Sie … Ich habe sie zusammen unter einem Baum auf dem Square entdeckt. Was sie da gemacht haben, weiß ich nicht … An Ihrer Stelle würde ich aufpassen. Er ist zu allem fähig, der Junge von diesem liederlichen Frauenzimmer.«
    Lisa fand kein einziges Wort. Sie wußte nicht, an welchem Ende sie ihre Tochter anfassen sollte, so sehr ekelte sie sich vor den verdreckten Stiefelchen, den fleckigen Strümpfen, den zerrissenen Röcken, den schwarzbeschmierten Händen und dem Gesicht. Der blaue Samt, die Ohrknöpfe, das Kreuzchen verschwanden unter einer Schmutzschicht. Was sie aber vollends hochbrachte, waren die Taschen voll Erde. Sie bückte sich herunter und leerte sie aus, ohne Rücksicht auf die weißen und rosa Fliesen des Ladens. Dann zog sie Pauline mit sich fort, konnte nur ein Wort sprechen und sagte: »Los, du Schmutzfink.«
    Fräulein Saget, die tief unter ihrem schwarzen Hut ganz aufgeheitert war durch diesen Auftritt, überquerte rasch die Rue Rambuteau. Ihre winzigen Füße berührten kaum das Pflaster; eine Sinnenfreude trug sie gleich einem Hauch voller kitzelnder Liebkosungen. Endlich wußte sie es also! Seit einem Jahre brannte sie darauf, und da hatte sie Florent plötzlich ganz und gar in der Hand. Es war eine unverhoffte Befriedigung, die sie von irgendeiner Krankheit heilte, denn sie fühlte sehr wohl, daß dieser Mann sie bei langsamem Feuer hätte sterben lassen, indem er sich ihren Neugiergluten versagte. Jetzt gehörte ihr das ganze Markthallenviertel; es gab keine Lücke mehr in ihrem Kopf. Sie hätte über jede Straße, Laden um Laden, berichten können. Und sie stieß vor Wonne vergehende kleine Seufzer aus, als sie die Obsthalle betrat.
    »Na, Mademoiselle Saget«, rief die Sarriette von ihrem Stand, »worüber lachen Sie denn so vor sich hin? – Haben Sie vielleicht das große Los gewonnen?«
    »Nein, nein … Ach, meine Kleine, wenn Sie wüßten!«
    Die Sarriette war anbetungswürdig mit ihrem nachlässigen Aufzug eines schönen Mädchens inmitten ihres Obstes. Ihre gekräuselten Haare fielen ihr in die Stirn wie Weinranken. Ihre nackten Arme, ihr nackter Hals, alles, was sie an Nacktem und Rosigem zeigte, hatte die Frische von Pfirsichen und Kirschen. Übermütig hatte sie sich Herzkirschen über die Ohren gehängt, schwarze Herzkirschen, die auf ihren Wangen herumhüpften, wenn sie sich schallend lachend herunterbeugte. Sehr viel Spaß machte es ihr, Johannisbeeren zu essen und sich, während sie sie aß, den Mund bis zum Kinn und bis zur Nase zu beschmieren; sie hatte einen roten Mund, einen vom Saft der Johannisbeeren geschminkten und frischen Mund, wie bemalt und parfümiert mit irgendeiner Haremsschminke. Ein Pflaumengeruch stieg von ihren Röcken auf. Ihr schlechtgeknotetes Brusttuch duftete nach Erdbeeren.
    Und in dem engen Stand häuften sich rings um sie die Früchte. Hinter ihr lagen längs der Etageren Melonen, von Warzen vernarbte Kantalupen, Netzmelonen mit grauer Gipürestickerei, Korallenriffmelonen mit ihren nackten Höckern. In der Auslage hatten die lecker in den Körben zugerichteten schönen Früchte die Rundungen von sich verbergenden Wangen, von halb unter einem Blättervorhang hervorlugenden Gesichtern schöner Kinder; die Pfirsiche vor allem, die rötlichen aus Montreuil mit zarter und heller Haut wie Töchter des Nordens und die gelben und verbrannten Pfirsiche aus dem Süden, die den Sonnenbrand der Töchter der Provence51 hatten. Die Aprikosen nahmen aus dem Moos Bernsteintönungen an, diese Sonnenuntergangswärme, die den Nacken der Brünetten an der Stelle erhitzt, wo sich die Härchen kräuseln. Die nebeneinander geordneten Kirschen ähnelten schmalen lächelnden Chinesinnenlippen, die MontmorencySauerkirschen wulstigen Lippen üppiger Frauen, die englischen Kirschen länglicheren und ernsthafteren, die Herzkirschen gewöhnlichem, schwarzem, von Küssen zerdrücktem Fleisch und die weiß und rosa gefleckten spanischen Herzkirschen einem freudigen und zugleich ärgerlichen Lachen. Die Äpfel und Birnen türmten sich in regelmäßigen Architekturen übereinander, bildeten Pyramiden und zeigten das Erröten keimender Brüste, goldiger Schultern und Schenkel, eine ganze verschwiegene Nacktheit inmitten von Farnwedeln. Sie hatten unterschiedliche Schalen, die Franzäpfel in der Wiege, die weich gewordenen Rambure, die Kantäpfel im weißen Gewand, die blutvollen Ontarios, die

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