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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Eines Abends sprach er zu ihr von der Frau auf dem Boulevard Montmartre, von jener Dame im rosa Hütchen, deren durchlöcherte Brust unter seinen Händen geblutet hatte. Er dachte noch oft an sie; er hatte die herzzerreißende Erinnerung an sie in den klaren Nächten von Guayana herumgetragen; er war nach Frankreich zurückgekehrt mit der verrückten Träumerei, sie in der schönen Sonne auf einem Bürgersteig wiederzufinden, obgleich er noch immer ihre Totenschwere quer über seinen Beinen fühlte. Vielleicht hatte sie sich dennoch wieder erhoben. Manchmal hatte es ihm auf der Straße einen Stich in die Brust versetzt, wenn er sie plötzlich zu erkennen glaubte. Mit bebendem Herzen folgte er den rosa Hütchen und den auf die Schultern fallenden Schals. Wenn er die Augen schloß, sah er sie gehen, auf sich zukommen, aber sie ließ ihren Schal herabgleiten und zeigte ihm die beiden roten Flecke auf ihrem Brusttuch. Sie erschien ihm in wächserner Blässe mit leeren Augen und schmerzlichen Lippen. Lange Zeit litt er schwer darunter, nicht ihren Namen zu wissen, nur einen Schatten von ihr zu haben, den er mit Sehnsucht anrief. Wenn sich die Vorstellung von einer Frau in ihm erhob, dann stand sie vor ihm auf, die sich als die einzig gute, einzig reine darbot. Viele Male ertappte er sich dabei, daß er träumte, sie suche ihn auf jenem Boulevard, wo sie liegengeblieben war; sie würde ihm ein ganzes Leben voller Freude geschenkt haben, wenn er ihr ein paar Sekunden früher begegnet wäre. Und er wollte keine andere Frau mehr, es gab keine andere mehr für ihn. Seine Stimme zitterte derartig, als er von ihr sprach, daß die Normande mit ihrem Naturtrieb eines verliebten Mädchens begriff und eifersüchtig wurde.
    »Bei Gott«, murmelte sie boshaft, »es wäre besser, wenn Sie sie nicht wiedersähen. Schön wird sie ja wohl jetzt nicht sein.«
    Florent war ganz bleich geworden in dem Entsetzen vor dem von der Fischhändlerin heraufbeschworenen Bild. Seine Liebeserinnerung versank in ein Beinhaus. Er verzieh ihr diese greuliche Grausamkeit nicht, die von nun an in das liebliche Seidenhütchen die hervorspringende Kinnlade und die klaffenden Augen eines Skeletts brachte. Als ihn die Normande mit dieser Dame, »die an der Ecke der Rue Vivienne mit ihm zusammengelegen« hatte, neckte, wurde er ausfallend und brachte sie mit einem fast groben Wort zum Schweigen.
    Am meisten aber verblüffte es die schöne Normande bei diesen Enthüllungen, daß sie sich getäuscht hatte, als sie glaubte, der schönen Lisa einen Liebhaber wegzunehmen. Das schmälerte ihren Triumph so sehr, daß sie deswegen eine ganze Woche lang Florent weniger liebte. Dann tröstete sie sich mit der Geschichte von der Erbschaft. Die schöne Lisa war kein Tugendbold mehr, sie war eine Diebin, die mit heuchlerischer Miene, um alle Welt irrezuführen, den Besitz ihres Schwagers behielt. Jeden Abend kam nun, während Murx seine Vorlagen abschrieb, das Gespräch auf den Schatz des alten Gradelle.
    »Hat man jemals von dem Einfall des Alten gehört!« meinte die Fischhändlerin lachend. »Er wollte also sein Geld einpökeln, daß er es in ein Pökelfaß gelegt hat! – Fünfundachtzigstausend Francs, das ist eine hübsche Summe, um so mehr, als die Quenus zweifellos gelogen haben; es war vielleicht das Doppelte, das Dreifache … Na, ich würde ja meinen Anteil verlangen, und zwar rasch!«
    »Ich brauche nichts«, sagte Florent immer wieder. »Ich wüßte nicht einmal, wo ich mit diesem Geld hinsollte.«
    Da brauste sie auf:
    »Sehen Sie, Sie sind ja kein Mann. Das kann einem ja leid tun. Begreifen Sie denn nicht, daß sich die Quenus über Sie lustig machen. Die Dicke überläßt Ihnen die alte Wäsche und die alten Anzüge ihres Mannes. Ich sage das nicht, um Sie zu verletzen, aber schließlich sieht das ja alle Welt … Sie haben ja eine Hose, die steif vor Fett ist und die das ganze Viertel drei Jahre lang auf dem Hintern Ihres Bruders gesehen hat … Ich an Ihrer Stelle würde ihnen ihre Lumpen ins Gesicht schmeißen und abrechnen. Zweiundvierzigtausendfünfhundert Francs, nicht wahr? Ohne meine zweiundvierzigtausendfünfhundert Francs würde ich nicht weggehen.«
    Vergeblich setzte ihr Florent auseinander, seine Schwägerin habe ihm seinen Anteil angeboten, sie halte ihn zu seiner Verfügung, und er sei es, der nichts davon wolle. Er erging sich in den kleinsten Einzelheiten, um sie von der Ehrbarkeit der Quenus zu überzeugen.
    »Geh nur, Jean, und paß auf, ob

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