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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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unreinen Tier, das sich von Verfaultem, das selbst die Hunde nicht gewollt hätten, ernährte. Clémence und Gavard sprachen diese Geschichte in den Markthallen herum, so daß die alte Jungfer in ihren guten Beziehungen zu den Händlerinnen viel darunter zu leiden hatte. Wenn sie herumtrödelte und klatschte, ohne etwas zu kaufen, schickte man sie zu den Speiseresten zurück. Das brachte ihre Nachrichtenquelle zum Versiegen. An manchen Tagen wußte sie überhaupt nicht mehr, was vorging. Sie weinte vor Wut darüber. Bei dieser Gelegenheit sagte sie roh zur Sarriette und zu Frau Lecœur:
    »Sie brauchen mich nicht mehr anzutreiben; gehen Sie mir, meine Kleinen … Ich werd ihn dran glauben lassen, Ihren Gavard.«
    Die beiden waren ein wenig erschrocken, erhoben jedoch keinen Einspruch. Am folgenden Tag war übrigens Fräulein Saget wieder ruhiger und von neuem gerührt über diesen armen Herrn Gavard, der so schlecht beraten war und bestimmt in sein Verderben rannte.
    Gavard stellte sich in der Tat sehr bloß. Seit die Verschwörung heranreifte, schleppte er überall den Revolver, der seine Concierge, Frau Léonce, so in Schrecken versetzte, in seiner Tasche herum. Es war dies ein verteufelt großer Revolver, den er beim besten Büchsenmacher von Paris mit sehr geheimnisvollem Gehabe gekauft hatte. Tags darauf zeigte er ihn allen Frauen der Geflügelhalle wie ein Gymnasiast, der einen verbotenen Roman in seinem Pult versteckt. Er ließ den Lauf über den Rand seiner Tasche hinausragen, zeigte ihn mit einem Augenzwinkern, brach mitten im Satz ab, machte halbe Eingeständnisse und führte die ganze Komödie eines Menschen auf, der mit Hochgenuß so tut, als habe er Angst. Diese Pistole verlieh ihm eine ungeheure Wichtigkeit und reihte ihn endgültig unter die gefährlichen Menschen ein. Manchmal ließ er sich auch hinten in seiner Bude herbei, sie ganz und gar aus der Tasche zu ziehen, um sie zwei oder drei Frauen zu zeigen. Er verlangte, daß sich die Frauen vor ihn stellten, um ihn mit ihren Röcken zu verbergen, wie er sagte. Dann spannte er den Hahn, hantierte an dem Revolver herum und richtete ihn auf eine in der Auslage hängende Gans oder Pute. Das Entsetzen der Frauen entzückte ihn. Schließlich beruhigte er sie, indem er erklärte, er sei nicht geladen. Aber er hatte in einer Schachtel, die er mit unendlichen Vorsichtsmaßnahmen öffnete, auch Patronen bei sich. Nachdem man die Patronen in der Hand gewogen hatte, entschloß er sich endlich, sie wieder in sein Arsenal zurückzulegen. Und stundenlang konnte er mit gekreuzten Armen jubelnd und hochtrabend mit prahlerischer Miene daherreden: »Mit dem Zeug da ist ein Mann erst ein Mann. Jetzt kann mir die Polente den Buckel runterrutschen … Sonntag bin ich mit einem Freund in die Ebene von SaintDenis gegangen, um ihn auszuprobieren. Sie verstehen, man erzählt es nicht aller Welt, daß man solches Spielzeug da hat … Ah, meine armen Kleinen, wir zielten auf einen Baum, und jedesmal – paff! – war der Baum getroffen … Sie werden es ja erleben, Sie werden es ja erleben in einiger Zeit; Sie werden von Anatole reden hören.«
    Anatole hatte er nämlich seinen Revolver genannt. Er benahm sich so, daß nach acht Tagen die ganze Halle die Pistole und die Patronen kannte. Seine Kumpelei mit Florent schien verdächtig. Er war zu reich, zu fett, als daß man ihn in den gleichen Haß mit einbezogen hätte. Aber er verlor die Achtung vernünftiger Leute, und es glückte ihm, den Ängstlichen Schreck einzujagen. Von da an war er entzückt.
    »Es ist unvorsichtig, Waffen bei sich zu haben«, meinte Fräulein Saget. »Das wird ihm einen bösen Streich spielen.«
    Bei Herrn Lebigre triumphierte Gavard.
    Seit Florent nicht mehr bei den Quenus aß, lebte er dort in dem verglasten Gelaß. Er speiste dort zu Mittag und zu Abend und kam zu jeder Tageszeit, um sich dorthin zurückzuziehen. Er hatte es sozusagen zu seinem eigenen Zimmer gemacht, zu einem Büro, in dem er alte Gehröcke, Bücher und Papiere herumliegen ließ. Herr Lebigre duldete diese Inbesitznahme; er hatte sogar einen der beiden Tische herausgenommen, um den engen Raum mit einer kleinen gepolsterten Bank auszustatten, auf der Florent gegebenenfalls hätte schlafen können. Als dieser einige Bedenken empfand, bat ihn der Wirt, sich keinen Zwang anzutun, und stellte ihm das ganze Haus zur Verfügung. Logre bezeugte ihm gleichfalls große Freundschaft. Er hatte sich zu seinem »Leutnant« gemacht. Zu jeder Stunde

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