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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sie kommen!« sang sie mit leicht spöttischer Stimme. »Ich kenne ihre Ehrbarkeit. Jeden Morgen legte die Dicke sie zusammengefaltet in ihren Spiegelschrank, um sie nicht zu beschmutzen … Wirklich, mein armer Freund, Sie machen mir Kummer. Es ist ja zumindest ein Vergnügen, Sie zum Narren zu halten. Sie sehen nicht klarer als ein Kind von fünf Jahren … Eines Tages wird sie Ihnen Ihr Geld in die Tasche stecken und es Ihnen wieder wegnehmen. Der Streich ist nicht boshafter zu spielen. Wollen Sie, daß ich spaßhalber hingehe und das Ihnen Zustehende verlange? Das wäre schrullig, dafür stehe ich ein. Und ich würde den Schatz herausbekommen oder alles kurz und klein schlagen, auf Ehrenwort!«
    »Nein, nein, da würden Sie an falscher Stelle sein«, beeilte sich Florent erschrocken zu sagen. »Ich werde sehen, vielleicht brauche ich das Geld bald.«
    Sie zweifelte, zuckte die Schultern und murmelte dabei, er sei viel zu weich. Ihre ständige Beschäftigung war es, ihn so gegen die QuenuGradelles aufzuhetzen, wobei sie alle Waffen, Zorn, Spott und Zärtlichkeit, anwandte. Dann hegte sie einen anderen Plan. Wenn sie Florent heiratete, würde sie es sein, die hinginge und die schöne Lisa ohrfeigte, falls sie die Erbschaft nicht herausgäbe. Hellwach, träumte sie nachts in ihrem Bett davon: sie trat bei der Fleischersfrau ein, setzte sich mitten in den Laden zur Verkaufszeit hin und machte eine fürchterliche Szene. Sie liebäugelte dermaßen mit diesem Plan, und er verlockte sie schließlich in einem solchen Grade, daß sie sich einzig und allein deswegen verheiratet hätte, und hinzugehen und die zweiundvierzigtausendfünfhundert Francs des alten Gradelle zu fordern.
    Mutter Méhudin war über den Korb, den sie Herrn Lebigre gegeben hatte, außer sich und schrie überall aus, daß ihre Tochter verrückt sei und der »lange Dürre« ihr irgendeine dreckige Pille zu essen gegeben haben müsse. Als sie die Geschichte mit Cayenne erfuhr, wurde sie furchtbar, schimpfte ihn Galeerensträfling, Mörder, und erklärte, es sei nicht verwunderlich, daß er vor schurkischer Gesinnung so platt bleibe. Sie war es, die in dem Viertel die greulichsten Verdrehungen seiner Geschichte erzählte. Aber in der Wohnung begnügte sie sich zu brummen, tat, als schließe sie die Schublade mit dem Silberzeug ab, sobald Florent kam. Eines Tages schrie sie nach einem Streit mit ihrer ältesten Tochter:
    »Das kann nicht so weitergehen, daß dieser Lumpenkerl dich mir entfremdet. Treibe mich nicht zum Äußersten, denn ich würde auf die Präfektur gehen und ihn anzeigen, so wahr, wie es Tag wird!«
    »Sie würden gehen und ihn anzeigen«, wiederholte die Tochter, am ganzen Körper zitternd und die Fäuste geballt. »Richten Sie nicht dieses Unglück an … Ach, wenn Sie nicht meine Mutter wären …«
    Claire, die Zeugin des Streits war, fing an zu lachen mit einem nervösen Lachen, das ihr die Kehle zerriß. Seit einiger Zeit war sie noch düsterer geworden, noch wunderlicher, die Augen gerötet, das Gesicht ganz bleich.
    »Was wäre dann?« fragte sie. »Du würdest sie schlagen … Würdest du mich denn auch schlagen, mich, die ich deine Schwester bin? Du weißt, dahin wird es schließlich kommen. Ich werde das Haus befreien und auf die Präfektur gehen, um Mama diesen Weg zu ersparen.« Und da ihre Schwester fast erstickte und Drohungen stammelte, fügte sie hinzu: »Du wirst es nicht nötig haben, mich zu schlagen … Ins Wasser werde ich mich stürzen, wenn ich auf dem Rückweg über die Brücke komme.« Große Tränen rollten ihr aus den Augen. Sie floh auf ihr Zimmer und schloß heftig die Tür.
    Mutter Méhudin sprach nicht wieder davon, Florent anzuzeigen. Allein Murx berichtete seiner Mutter, daß er ihr in allen Winkeln des Viertels begegne, wie sie mit Herrn Lebigre spreche.
    Die Rivalität zwischen der schönen Normande und der schönen Lisa nahm jetzt einen stummeren und beunruhigenderen Charakter an. Nachmittags, wenn die graue, rotgestreifte Markise des Fleischerladens heruntergelassen war, schrie die Fischhändlerin, die Dicke habe Angst und verstecke sich. Außerdem war da der Schaufenstervorhang, der sie außer sich brachte, wenn er vorgezogen war; er stellte ein Jagdfrühstück in einer Waldlichtung dar mit Herren im Frack und Damen mit tief ausgeschnittenen Kleidern, die auf dem gelben Gras eine rote Pastete aßen, die ebenso groß war wie sie selbst. Gewiß hatte die Fleischersfrau keine Angst. Wenn die Sonne fort

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