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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sehe man ihn nachts mit verdächtigen Männern herumstreichen, deren Anführer er sein müsse. Da schoß die Phantasie der Händlerinnen ungehemmt los, erträumte die dramatischsten Dinge, eine Bande von Schmugglern mitten in Paris oder wohl eine weitreichende Verbindung, die die in den Markthallen begangenen Diebstähle zusammenfaßte. Man beklagte die QuenuGradelles sehr und sprach gleichzeitig gehässig über die Erbschaft. Diese Erbschaft entflammte Leidenschaft. Die allgemeine Ansicht war, Florent sei zurückgekehrt, um sich seinen Anteil von dem Schatz zu nehmen. Allein, da es wenig zu erklären war, daß die Teilung noch nicht stattgefunden hatte, erfand man, er warte auf eine günstige Gelegenheit, sich alles in die Tasche zu stecken. Bestimmt würden eines Tages die QuenuGradelles hingemetzelt aufgefunden werden. Es wurde erzählt, daß es bereits jeden Abend fürchterliche Streitereien zwischen den beiden Brüdern und der schönen Lisa gebe.
    Als diese Märchen der schönen Normande zu Ohren kamen, zuckte sie lachend die Achseln.
    »Gehen Sie mir doch«, sagte sie. »Sie kennen ihn nicht … Er ist sanft wie ein Lamm, der gute Mann.«
    Sie hatte Herrn Lebigre rundweg ihre Hand verweigert, der einen offiziellen Schritt versucht hatte. Seit zwei Monaten schenkte er den Méhudins alle Sonntage eine Flasche Likör. Rose in ihrer unterwürfigen Art überbrachte diese Flasche. Stets hatte sie ein Kompliment für die schöne Normande auszurichten, eine Liebenswürdigkeit, die sie getreulich hersagte, ohne daß sie sich über diese seltsamen Aufträge im geringsten zu ärgern schien. Als Herr Lebigre sah, daß er einen Korb bekommen hatte, schickte er am nächsten Sonntag Rose mit zwei Flaschen Champagner und einem großen Blumenstrauß, um zu zeigen, daß er nicht gekränkt sei und die Hoffnung nicht aufgebe. Ausgerechnet der schönen Fischhändlerin händigte sie das alles aus und sagte dabei die galante Botschaft des Weinhändlers in einem Atemzuge auf:
    »Herr Lebigre bittet Sie, dies auf seine Gesundheit zu trinken, die von dem, was Sie wissen, sehr erschüttert ist. Er hofft, daß Sie ihn eines Tages dadurch heilen mögen, daß Sie für ihn ebenso schön und gut sein werden wie diese Blumen.«
    Die Normande hatte ihren Spaß an der verzückten Miene des Bedienungsmädchens. Und sie brachte sie in Verlegenheit, indem sie mit ihr über ihren Dienstherrn sprach, der ja so anspruchsvoll sei, wie es hieß. Sie fragte sie, ob sie ihn sehr liebe, ob er Hosenträger trage, ob er nachts schnarche. Dann ließ sie den Champagner und den Strauß wieder zurückbringen.
    »Bestellen Sie Herrn Lebigre, daß er Sie nicht mehr schicken soll … Sie sind zu gut, meine Kleine. Es bringt mich auf, wenn ich Sie so sanft mit Ihren Flaschen unter dem Arm sehe. Können Sie Ihrem Herrn nicht eins mit den Krallen versetzen?«
    »Das wäre was! Er will, daß ich komme«, antwortete Rose im Davongehen. »Es ist unrecht von Ihnen, ihm Kummer zu bereiten … Er ist ein stattlicher Mann.«
    Die schöne Normande war von Florents sanftem Wesen eingenommen. Sie wohnte weiterhin abends unter der Lampe Murx’ Unterricht bei und träumte, daß sie diesen Burschen heiratete, der so gut zu Kindern war; sie behielt ihren Fischstand, und er rückte zu einer gehobenen Stellung in der Markthallenverwaltung auf. Aber dieser Traum stieß sich an der Achtung, die der Lehrer ihr bezeigte. Er verbeugte sich vor ihr, wahrte Abstand, wenn sie mit ihm hätte lachen, sich kitzeln und schließlich lieben lassen wollen, wie sie zu lieben verstand. Dieser dumpfe Widerstand war es gerade, der sie zu jeder Stunde mit dem Heiratsgedanken liebäugeln ließ. Sie stellte sich einen großen Sinnenrausch ihrer Eigenliebe vor. Florent lebte übrigens in einer höheren und ferneren Welt. Er würde sich vielleicht zurückgezogen haben, wenn er nicht an dem kleinen Murx gehangen hätte; außerdem stieß ihn auch der Gedanke ab, eine Geliebte in diesem Hause neben der Mutter und der Schwester zu haben.
    Die Normande erfuhr mit großer Überraschung die Geschichte ihres Angebeteten. Niemals hatte er den Mund aufgetan von diesen Dingen. Sie haderte mit ihm. Diese ungewöhnlichen Abenteuer brachten eine Würze mehr in ihre Zuneigung zu ihm. Ganze Abende mußte er da von allem, was ihm zugestoßen war, erzählen. Sie zitterte, daß ihn die Polizei schließlich entdecken könnte. Aber er beruhigte sie, sagte, das sei zu lange her, die Polizei kümmere sich jetzt nicht mehr darum.

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