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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gestrandet waren und auf die Sonne warteten. Die Nächte in den Markthallen sind wohltuend für die Vagabunden. Zwei Schutzleute, noch in Nachtuniform mit Umhang und Käppi, gingen, die Hände auf dem Rücken, auf dem Bürgersteig hin und her. Jedes Mal, wenn sie an der Bank vorbeikamen, warfen sie einen Blick auf das Wild, das sie hier witterten. Florent bildete sich ein, daß sie ihn erkannten, daß sie schon zu Rate gingen, um ihn zu verhaften. Da packte ihn die Angst. Es überkam ihn ein wahnsinniges Verlangen, aufzustehen und davonzulaufen. Aber er wagte es nicht mehr; er wußte nicht, wie er sich aus dem Staube machen sollte. Und die regelmäßigen Blicke der Schutzleute, dieses langsame und kalte Examinieren der Polizei, spannten ihn auf die Folter. Endlich verließ er die Bank, an sich haltend, um nicht mit der ganzen Länge seiner großen Beine zu fliehen, Schritt für Schritt sich entfernend und die Schultern einziehend in dem Entsetzen, die rohen Hände der Schutzleute zu spüren, die ihn von hinten am Kragen packten.
    Er hatte nur noch einen Gedanken, nur noch ein Bedürfnis: fortzukommen von den Markthallen. Er würde abwarten, würde später noch suchen, wenn die Straße frei war. Die drei Straßen an der Kreuzung, die Rue Montmartre, die Rue Montorgueil und die Rue Turbigo, beunruhigten ihn. Sie waren mit Wagen aller Art verstopft. Gemüse bedeckte die Bürgersteige. Er ging also geradeaus bis zur Rue PierreLescot, wo ihm der Kresse und der Kartoffelmarkt undurchdringlich erschienen. Er zog es vor, die Rue Rambuteau hinunterzugehen; aber am Boulevard Sébastopol stieß er auf einen derartigen Wirrwarr von Rollwagen, Karren und Breaks11, daß er zurückging, um in die Rue SaintDenis einzubiegen. Dort geriet er wieder in das Gemüse. Auf beiden Seiten hatten die Markthändler gerade ihre Stände aus auf hohe Körbe gelegten Brettern errichtet, und die Sintflut von. Kohl, Möhren und Kohlrüben begann von neuem. Die Hallen flossen über. Er trachtete aus dieser Woge herauszukommen, die ihn in seiner Flucht einholte. Er versuchte es mit der Rue de la Cossonnerie, der Rue Berger, dem Square des Innocents, der Rue de la Ferronnerie und der Rue des Halles. Und er blieb stehen, entmutigt, verstört, weil er sich aus diesem Teufelsreigen von Kraut nicht zu befreien vermochte, der schließlich um ihn herumtanzte und mit seinem feinen Grün seine Beine umschlang. In der Ferne verloren sich bis zur Rue de Rivoli, bis zum Place de l’HôteldeVille hin endlose Züge von Rädern und vorgespannten Tieren in dem Durcheinander der Waren, die aufgeladen wurden. Große Rollwagen schafften den Einkauf der Obsthändler eines ganzen Viertels weg; Breaks, deren Seitenwände krachten, fuhren in die Außenbezirke ab. In der Rue du PontNeuf verirrte er sich vollends. Er stolperte mitten in einen Abstellplatz für Handwagen hinein; Straßenhändler richteten hier ihre fliegenden Stände her. Unter ihnen erkannte er Lacaille, der, eine Karre voll Möhren und Blumenkohl vor sich her schiebend, in die Rue SaintHonoré einbog. Florent folgte ihm in der Hoffnung, daß er ihm helfen werde, aus dem Gewühl herauszukommen. Das Pflaster war glitschig geworden, obwohl trockenes Wetter herrschte: Haufen von Artischockenstielen, welken Blättern und Stengeln machten die Fahrbahn gefährlich. Bei jedem Schritt strauchelte er. Er verlor Lacaille in der Rue Vauvilliers. Bei der Getreidehalle waren die Straßenenden durch ein neues Hindernis von Fuhrwerken und Karren versperrt. Er versuchte nicht mehr dagegen anzukämpfen; die Markthallen hatten ihn wieder eingefangen, die Woge trug ihn zurück. Langsam kehrte er um und fand sich erneut an der Pointe Saint Eustache.
    Jetzt vernahm er ein anhaltendes Rollen, das von den Markthallen ausging. Paris zerkaute die Bissen für seine zwei Millionen Einwohner. Es war, als schlage ein mächtiges Herz wie rasend und schleudere das Blut des Lebens in alle Adern. Geräusch riesiger Kinnladen, polternder Lärm der Nahrungsbeschaffung, vom Peitschenknallen der zu den Märkten der Stadtviertel aufbrechenden Großhändler bis zu den schlürfenden Schlappen der armen Frauen, die von Tür zu Tür gehen, um aus Körben Salatköpfe anzubieten.
    Er betrat eine überdachte Straße links in der Gruppe der vier Hallen, deren großen schweigenden Schatten er in der Nacht bemerkt hatte. Er hoffte, sich dorthin zu flüchten, dort irgendeinen Schlupfwinkel zu finden. Aber um diese Stunde waren sie erwacht wie die andern.

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