Der Bauch von Paris - 3
verloren sich. Körbe mit kleinen Aalen wurden mit einem Ruck entleert, und die Tiere fielen wie ein einziger Knäuel von Schlangen auf den Boden der Behälter, während die großen, die die Stärke eines Kinderarms hatten, den Kopf hoben und von selbst ins Wasser glitten, geschmeidig und pfeilschnell wie Nattern, die sich im Gebüsch verbergen. Fische, die auf das schmutzige Weidengeflecht der Körbe gelegt waren und deren Todesröcheln seit dem Morgen andauerte, verendeten langsam vollends im Lärm der Versteigerungen; die Flanken zusammengepreßt, rissen sie die Mäuler auf, wie um die Feuchtigkeit der Luft zu trinken, und alle drei Sekunden gähnte übermäßig dieses schweigende Schnappen.
Inzwischen hatte Herr Verlaque Florent zu den Auktionsbänken für Seefische zurückgebracht. Er führte ihn umher und erläuterte ihm verwickelte Einzelheiten. An den drei Innenseite der Halle stauten sich die Wogen der Menge um die neun Zahltische und bildeten an jedem Rand Haufen von wabernden Köpfen, überragt von den Angestellten, die auf ihren erhöhten Sitzen hockten und die Listen führten.
»Aber«, fragte Florent, »gehören denn diese Angestellten alle zu den Kommissionären?«
Darauf führte ihn Herr Verlaque über den Bürgersteig in die Einfassung einer der Auktionsbänke. Er klärte ihn über die Behälter und das Personal an dem großen Zahltisch aus gelbem Holz auf, der nach Fisch stank und von den Dreckspritzern aus den Körben beschmutzt war. Ganz oben notierte in einer verglasten Kabine der städtische Steuerbeamte die bei der Versteigerung erzielten Summen. Weiter unten saßen auf erhöhten Stühlen zwei Frauen, die Handgelenke auf schmale Pulte gestützt, und führten die Verkaufslisten für die Abrechnung des Kommissionärs. Es werden gleichzeitig zwei Versteigerungen vorgenommen: auf jeder Seite am Ende des Steintisches, der sich vor dem Zahltisch hinzieht, stellte ein Auktionsausrufer die Körbe hin und nannte den Mindestpreis für die Warenpartien und die großen Stücke, während über ihm die Listenführerin mit der Feder in der Hand auf den Zuschlag wartete. Und Herr Verlaque zeigte ihm gegenüber außerhalb der Einfassung in einer anderen Kabine aus gelbem Holz die Kassiererin, eine alte, sehr dicke Frau, die gerade Stapel von Sous und Fünffrancsstücken einordnete.
»Es werden zwei Kontrollen vorgenommen«, sagte er, »von der Präfektur des Departements Seine und von der Polizeipräfektur. Diese letztere, die die Kommissionäre ernennt, nimmt für sich auch das Aufsichtsamt über sie in Anspruch. Die Stadtverwaltung ihrerseits wünscht bei den Geschäftsabschlüssen zugegen zu sein, die sie mit einer Abgabe belegt.« Er fuhr fort, mit seiner dünnen, frostigen Stimme lang und breit den Streit der beiden Präfekturen auseinanderzusetzen.
Florent hörte kaum zu. Er betrachtete die Listenführerin, die ihm gegenüber auf einem der hohen Stühle saß. Sie war eine große Brünette von dreißig Jahren mit dicken schwarzen Augen und sehr gesetztem Aussehen. Sie schrieb mit ganz ausgestreckten Fingern wie ein Fräulein, das eine höhere Schule besucht hat.
Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch durch das Gekreisch des Ausrufers abgelenkt, der eben einen prachtvollen Steinbutt ausbot.
»Dreißig Francs sind geboten! – Dreißig Francs! Dreißig Francs!« In allen Tonarten wiederholte er die Zahl und kletterte dabei eine seltsame Tonleiter voller plötzlicher Sprünge empor. Er war bucklig, hatte ein schiefes Gesicht, wirres Haar und trug eine große blaue Latzschürze. Und den Arm ausgestreckt, schrie er heftig mit feuersprühenden Augen: »Einunddreißig! Zweiunddreißig! Dreiunddreißig! Dreiunddreißig fünfzig! – Dreiunddreißig fünfzig …« Er schöpfte Atem, drehte den Korb herum und schob ihn auf dem Steintisch nach vorn, während sich die Fischfrauen vorbeugten und den Steinbutt leicht mit den Fingerspitzen betasteten. Dann fuhr der Mann wieder los mit neuem Ungestüm, warf jedem Bietenden mit der Hand eine Zahl hin, erhaschte die winzigsten Andeutungen, das Erheben eines Fingers, das Emporziehen der Augenbrauen, das Vorschieben der Lippen, das Augenzwinkern und das mit einer solchen Geschwindigkeit, einem solchen Heraussprudeln der Worte, daß Florent, der nicht folgen konnte, ganz verwirrt dastand, als der Bucklige plötzlich mit mehr singender Stimme im Tonfall eines Kirchensängers, der einen Bibelvers beendet, herunterleierte: »Zweiundvierzig! Zweiundvierzig! – Zweiundvierzig
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