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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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III
    Drei Tage später waren die Formalitäten erledigt; die Präfektur billigte Florent auf Herrn Verlaques Vorschlag, fast unbesehen übrigens, einfach als Stellvertreter. Gavard hatte sie durchaus begleiten wollen. Als er mit Florent wieder allein auf der Straße war, stieß er ihn mit dem Ellbogen in die Seite und lachte, ohne etwas zu sagen, mit verschmitztem Augenzwinkern. Die Schutzleute, denen sie auf dem Quai de l’Horloge begegneten, kamen ihm zweifellos sehr lächerlich vor; denn wenn er an ihnen vorüberging, krümmte er leicht den Rücken und verzog den Mund wie jemand, der sich beherrscht, um nicht den Leuten schallend ins Gesicht zu lachen.
    Gleich am nächsten Tage begann Herr Verlaque den neuen Aufseher in seine Arbeit einzuweisen. Mehrere Vormittage hindurch mußte er ihn durch die turbulente Welt führen, die er zu überwachen haben würde. Dieser arme Verlaque, wie ihn Gavard nannte, war ein blasses, viel hustendes, in Flanell, seidene Halstücher und Schals gewickeltes Männchen, das auf den mageren Beinchen eines kränklichen Kindes in der kühlen Feuchtigkeit und zwischen den fließenden Wassern des Fischmarktes herumspazierte.
    Als Florent am ersten Morgen um sieben Uhr eintraf, kam er sich völlig verloren vor; seine Augen waren verstört, sein Kopf zersprang fast. Um die neun Auktionsbänke strichen bereits die Kleinhändlerinnen herum, während die Angestellten mit ihren Listen ankamen und die Speditionsmakler mit ihren über die Schulter gehängten ledernen Jägertaschen auf umgekippten Stühlen bei den Verkaufstischen saßen und auf die Einnahme warteten. Innerhalb der abgeschlossenen Einfriedung der Bänke und bis auf die Bürgersteige wurden Seefische abgeladen und ausgepackt. Da war längs des Straßenpflasters ein Anhäufen von Deckelkörben, ein ständiges Anlanden von Kisten, Körben, Stapeln von Säcken mit Miesmuscheln, aus denen in Rinnsalen das Wasser herausfloß. Die Angestellten, die die Warenpartien zu verteilen hatten, sprangen sehr geschäftig über die Haufen, rissen mit einem Handgriff das Stroh von den Deckelkörben herunter, entleerten sie und warfen sie geschwind beiseite; und auf die geräumigen runden Fischkörbe verteilten sie mit einer einzigen Handbewegung die Warenpartien und gaben ihnen einen vorteilhaften Anstrich. Als sich diese Fischkörbe immer mehr ausbreiteten, hätte Florent meinen können, eine Fischbank sei hier an diesem Bürgersteig gestrandet, noch nach Luft schnappend, mit dem rosigen Perlmuttglanz, dem blutigen Korallenrot, den milchigen Perlen und allem Schillern und allem bleichen Graugrün des Meeres.
    Bunt durcheinander, wie das Netz gerade gefallen war, hatten die Algen der Tiefe, in denen das geheimnisvolle Leben der hohen See schläft, alles preisgegeben: Kabeljaue, Schellfische, Goldbutte, Schollen, Klieschen und gewöhnlichere Tiere von schmutzigem Grau mit weißlichen Flecken; Meeraale, diese dicken schlammblauen Nattern mit den schmalen schwarzen Augen, so schlüpfrig, daß sie noch lebend zu sein und zu kriechen schienen; breite Rochen mit blassem, zartrot gerändertem Bauch, deren prächtige Rücken, die vorspringenden Rückgratsknorpel langstreckend, bis zu den abstehenden Barten der Flossen mit Zinnoberplättchen, durchzogen von zebraartigen Streifen Florentiner Bronze, mit der düsteren Buntscheckigkeit von Kröten und schädlichen Blumen marmoriert sind; Hundshaie, scheußlich mit ihren runden Köpfen und ihren weit aufgerissenen Mäulern chinesischer Götzenbilder, ihren kurzen, fleischigen Fledermausflügeln, Ungeheuer, die wohl mit ihrem Gebell die Schätze der Meeresgrotten bewachen. Dann kamen die Edelfische, je einer auf einem Teller aus Weidengeflecht ausgelegt: mit silbernen Schlangenlinien verzierte Lachse, bei denen jede Schuppe ein Radiernadelstich in die Politur des Metalls zu sein schien; Seebarben mit stärkeren, gröber ziselierten Schuppen; große Steinbutte und große Meerbarben von dichterem Korn, weiß wie saure Milch; Thunfische, glatt und lackiert gleich Säcken aus schwärzlichem Leder; rundliche Barsche, die, ein riesiges Maul aufreißend, an eine allzu mächtige, in der Bestürzung des Todeskampfes aus vollem Halse aufgegebene Seele denken ließen. Und überall wimmelten paarweise graue oder blonde Seezungen. Dünne steife Sandaale glichen Zinnspänen. Leichtgekrümmte Heringe zeigten alle auf ihren metalldurchwirkten Gewändern das Mal ihrer blutigen Kiemen. Fette Doraden färbten sich mit einem Anflug von

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