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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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wie der Absatz der Seefische sei. Allmählich ergab er sich und kam dahin, an der seligen Zufriedenheit dieses geregelten Lebens Gefallen zu finden. Das hellgelbe Eßzimmer war von bürgerlicher Sauberkeit und Wärme, die ihn schon auf der Schwelle weich werden ließ. Die Fürsorge der schönen Lisa legte rings um ihn ein warmes Daunenkissen, in dem all seine Glieder versanken. Es war eine Stunde vollkommener gegenseitiger Achtung und guten Einvernehmens.
    Gavard jedoch hielt die Häuslichkeit der Familie QuenuGradelles für zu schläfrig. Er verzieh Lisa ihre Liebe zum Kaiser, weil man, wie er sagte, mit Frauen nicht über Politik reden soll und die schöne Fleischersfrau alles in allem eine sehr ehrbare Frau war, die ihr Geschäft hübsch in Schwung hatte. Nur für seinen Geschmack zog er vor, seine Abende bei Herrn Lebigre zu verbringen, wo er eine kleine Gruppe von Freunden traf, die seine Ansichten teilten. Nachdem Florent zum Aufseher in der Seefischhalle ernannt worden war, verleitete er ihn, nahm ihn für Stunden mit und hielt ihn dazu an, jetzt, da er eine Stellung hatte, ein Junggesellenleben zu führen.
    Herr Lebigre unterhielt ein sehr schönes Lokal mit ganz modernem Aufwand. An der rechten Ecke der Rue Pirouette und der Rue Rambuteau gelegen, bildete es mit seinen vier kleinen norwegischen Kiefern in grüngestrichenen Kübeln zu beiden Seiten ein würdiges Gegenstück zu der großen Fleischerei der Quenu Gradelles. Durch die blanken Spiegelscheiben war die Gästestube zu sehen, deren Wände mit Laubgewinden, Weinranken und Trauben auf zartgrünem Grund geschmückt waren. Der Fußboden bestand aus großen schwarzen und weißen Fliesen. Im Hintergrund tat sich das gähnende Kellerloch unter der mit rotem Tuch ausgeschlagenen Wendeltreppe auf, die zum Billardzimmer im ersten Stock führte. Vor allem rechts der Schanktisch aber war sehr üppig mit seinem breiten Widerschein polierten Silbers. Das Zinkblech, das mit vorgewölbtem, erhöhtem Rand bis auf den Unterbau aus weißem und rotem Marmor herabreichte, umgab ihn mit einem Schimmern, einem metallenen Tischtuch wie einen mit Stickereien beladenen Hochaltar. Auf dem einen Ende schliefen mit Kupferreifen versehene Porzellanteekannen für Glühwein und Punsch auf dem Gasofen. Auf dem anderen Ende fiel aus einem sehr hoch angebrachten, reich modellierten Marmorspringbrunnen ständig ein Wasserstrahl so gleichmäßig in ein Becken, daß er sich nicht zu bewegen schien. In der Mitte der drei Zinkflächen war ein Becken zum Kalthalten und Spülen eingelassen, in dem angerissene Flaschen ihre grünlichen Hälse nebeneinanderreihten. Die beiden Seiten nahm eine zugweise aufgestellte Armee von Gläsern ein: kleine Gläser für Branntwein, dicke Becher für die Schoppen Wein, Schalen für Früchte, Absinthgläser, Bierseidel, hohe Stielgläser, die alle, umgestürzt und das Unterteil nach oben gekehrt, in ihrer Blässe das Blinken des Schanktisches widerspiegelte. Links befand sich noch ein auf einem Fuß stehender Kübel aus Neusilber, der als Trinkgeldbüchse diente, während rechts aus einem ähnlichen Kübel ein Fächer kleiner Löffel herausstak.
    Gewöhnlich thronte Herr Lebigre hinter dem Schanktisch auf einer mit rotem Leder bezogenen Polsterbank. Er hatte die zur Hälfte in den Öffnungen einer Konsole steckenden Likörflaschen und geschliffenen Kristallkaraffen in Reichweite und lehnte seinen runden Rücken gegen einen riesigen Spiegel, der die ganze Wandfüllung einnahm und von zwei Borden, zwei Glasplatten, die Kruken und Flaschen trugen, unterbrochen wurde. Auf der einen setzten die Fruchtkruken, die Kirschen, Pflaumen und Pfirsiche, ihre düsteren Flecke, auf der anderen ließen zwischen symmetrisch aufgestellten Biskuitpäckchen helle, zartgrüne, zartrosa und zartgelbe Fläschchen an unbekannte Liköre denken, an Blütenextrakte von erlesener Klarheit. Es schien, als hingen diese Fläschchen, die im großen weißen Schein des Spiegels blitzten und gleichsam entzündet waren, in der Luft.
    Um seinem Lokal das Aussehen eines Cafés zu geben, hatte Herr Lebigre gegenüber dem Schanktisch zwei lackierte gußeiserne Tischchen mit vier Stühlen an der Wand aufgestellt. Ein fünfflammiger Kronleuchter mit Mattglasglocken hing von der Decke. Ein kreisrundes Fenster, eine ganz vergoldete Uhr, befand sich oberhalb eines in die Mauer eingelassenen Ventilators. Hinten lag dann außerdem das Privatgelaß, eine Ecke des Lokals, die durch eine Zwischenwand, deren

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