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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Stadt Kusae und die Hathoren aus dem Hause Atons, des Urschöpfers, sind deine Vorfahren. Sie leben in den hier Anwesenden weiter und werden dich die Musik des Himmels, der Sterne, der Sonne und des Mondes verstehen lassen.«
    Ein sanftes, ergreifendes Lied erklang, begleitet von den Tamburins und den beiden Sistren, die die Königin spielte. Der Reihe nach sprachen die Ritualisten die sieben schöpferischen Worte, die die Göttin Neith bei der Geburt des Lichtes gesagt hatte, die selbst dem Urwasser entsprungen war. Männlich und weiblich und allen Manifestationen zuvorkommend, hatte sie den Verlauf aller Geburten eingeweiht und so den Gottheiten Gestalt verliehen.
    »Ich bin alles, was je gewesen ist, alles, was ist, und alles, was sein wird«, sagte die Königin. »Kein Sterblicher hat je meinen Schleier gelüftet, das Leichentuch, das den Leichnam von Osiris beschützt. Die Initiierten müssen es weben. Deshalb bringen wir dich in das Heim der Akazie, in der sich die Seelen von Hathor und Osiris in deinem Herzen vereinen sollen. Auf der heiligen Insel Biggeh nimmt sie die Gestalt der Höhle Hapi an, in der sich himmlische und irdische Wasser vereinigen. Durchschreite diesen Raum, damit sich dein Leben vom belebenden Wasser der Sterne und dem Feuer des Wissens ernährt.«
    Nachdem man sie ausgezogen hatte, ging die junge Frau in die Grotte und betrachtete lange die Flamme. Dann folgte sie dem Weg der Sternbilder, öffnete die Türen des Himmels, nahm ein Bad im See des Lichtes und wurde am Morgen mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne neu geboren.
    Eine Priesterin stellte sie auf den Sockel, der die Göttin Maat darstellte, und fächelte ihr mit einer Straußenfeder Luft zu – ein anderer Ausdruck für die gleiche Wirklichkeit –, um ihr günstigen Wind für die Reise in die Stadt der Glückseligkeit zu schenken.
    Dann zog man ihr ein rotes Kleid an und schmückte ihren Hals mit einem großen Brustschmuck aus Perlen. Das bedeutete, dass sie nach dem Durchqueren des Reichs der Finsternis wiedergeboren war, weil die Kräfte der Zerstörung sie nicht hatten aufhalten können.
    Die Königin reichte ihr eine Schreiberpalette und einen Schreibpinsel, dann setzte sie ihr einen siebenstrahligen Stern auf den Kopf.
    »Nun bist du eine Hathor, musst aber auch eine Sechmet werden, weil dir eine ganz besondere Aufgabe anvertraut wurde. Du kannst dich nicht damit zufrieden geben, deine Initiation für dich selbst zu leben und den inneren Frieden im Kreise deiner Schwestern im Tempel zu genießen. Schwierige Prüfungen warten auf dich, und du musst die Worte der Macht kennen, um deinen sichtbaren und unsichtbaren Feinden entgegentreten zu können. Wir werden dir helfen, so gut es geht, aber nur du allein kannst den Sieg erringen.«

 
45
     
     
     
    Noch vor dem Morgengrauen war Iker aufgebrochen, wobei er sich große Mühe gab, niemanden in dem schlafenden Palast zu wecken. Am Abend zuvor hatte er Djehuti alle Schriften zurückgegeben, die er bearbeitet hatte, und war taub, für dessen allerletzte Warnungen geblieben.
    Der junge Schreiber nahm das erste Boot, das Richtung Norden fuhr. Bei Sonnenaufgang wurde der Anker gelichtet, und dann spielte das Schiff mit der ebenso schnellen wie launischen Strömung. Der bärtige Kapitän war sehr erfahren und steuerte hervorragend. An Bord befanden sich etwa zehn Reisende, ein Ochse, einige Gänse und Nordwind.
    »Wo willst du hin, mein Junge?«, fragte ihn der Kapitän.
    »Nach Kahun.«
    »Das dauert etwa zwanzig Stunden mit vielen Halts und einer Nacht an Bord, falls nichts dazwischen kommt… Wie viel willst du zahlen?«
    »Ich dachte an ein Paar gute Sandalen, ein Stück Leintuch und einen mittelgroßen Papyrus.«
    »Das ist nicht wenig! Kommst du aus einer reichen Familie?«
    »Nein, ich bin ein einfacher Schreiber und habe im Hasengau für Fürst Djehuti gearbeitet.«
    »Das ist ein hoch angesehener großer Fürst. Und was führt dich nun nach Kahun?«
    Die Fragen des Kapitäns wurden Iker allmählich lästig, aber er versuchte trotzdem freundlich zu bleiben.
    »Ich fahre aus beruflichen Gründen dorthin.«
    »Geht es vielleicht um einen vertraulichen Auftrag?«
    »Wenn Ihr so wollt.«
    »Kahun ist ein seltsamer Ort. Ich kenne es nicht, aber es soll unter besonderem Schutz stehen, und man kann dort nur mit einer eigens ausgestellten Genehmigung wohnen. Du scheinst eine wichtige Person zu sein!«
    »Wie gesagt, ich bin nur ein einfacher Schreiber.«
    Weil er diese

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