Der Baum des Lebens
schnellen Schritt ihres Führers an, der sich allerdings bemühte, sie nicht zu verlieren, und so gelangten sie bald in Sichtweite von Rahenty, der »Kanalmündung«, mit dem großen Damm und einer Schleuse, die den Zufluss des Wassers regulierten, mit dem ein Nilarm Fayyum versorgte. Dank der Arbeiten unter Sesostris II. war die landwirtschaftlich nutzbare Fläche vergrößert und die Nilschwemme unter Kontrolle gebracht worden.
Mehrere Wachen versperrten den beiden Reisenden den Weg.
»Hier ist der Zutritt verboten!«, sagte ein Offizier. »Wer bist du und woher kommst du?«
»Mein Name ist Iker. Ich bin Schreiber aus der Stadt von Thot.«
Der Offizier grinste böse. »So, so! Bei deinem Alter ist das sehr glaubwürdig. Ich für meinen Teil bin der kommandierende General der Armee des Pharaos. Und ich bin für eine besondere Fähigkeit berühmt – ich kann Lügner entlarven. Ehrlich gesagt, du hättest dir etwas Besseres ausdenken können.«
»Es ist aber die Wahrheit. Ich habe ein Schriftstück bei mir, das Euch überzeugen wird.«
Als Iker einen der Säcke öffnen wollte, den sein Esel trug, spannten die Wachen ihre Bögen, und der Offizier zielte mit der Spitze seines Dolches auf Ikers Hüften.
»Keine Bewegung! Du willst dir wohl eine Waffe holen, oder? Kein Mensch kommt über diesen Weg, mit Ausnahme von besonderen Wachen. Wer hat ihn dir gezeigt?«
»Ihr werdet mir nicht glauben!«
»Jetzt sag schon.«
»Ein Schakal.«
»Du hattest Recht, das glaube ich dir nicht. Wahrscheinlich bist du der Späher von einer Bande, die die Gegend hier unsicher machen will.«
»Schaut doch selbst in meine Reisebeutel und überzeugt Euch persönlich! Da ist nur mein Schreibwerkzeug drin. Aber geht vorsichtig damit um.«
Argwöhnisch durchwühlte der Offizier das Gepäck der verdächtigen Person und musste enttäuscht feststellen, dass er keine Waffe finden konnte.
»Du bist mir ja ein ganz Schlauer! Und wo ist dieses berühmte Schriftstück?«
»Es ist ein aufgerollter und versiegelter Papyrus, gerichtet an den Stadtvorsteher von Kahun. Das Siegel gehört Djehuti, dem Fürsten des Hasengaus.«
»Wenn ich das Siegel breche, bestraft mich der Stadtvorsteher dafür, dass ich das Briefgeheimnis verletzt habe. Lasse ich es unversehrt, muss ich dir glauben. Noch ein schlauer Trick, mein Bursche! Ich gehe jede Wette ein, dass das Schreiben gefälscht ist. Aber nicht mit mir! Solche Herumtreiber wie dich durchschaue ich noch lange.«
»Jetzt ist es aber genug. Bringt mich zum Stadtvorsteher von Kahun.«
»Glaubst du etwa, er will seine Zeit damit vergeuden, Lügner zu empfangen?«
»Aber Ihr seht doch, dass ich ein Schreiber bin!«
»Wem hast du das Schreibwerkzeug gestohlen?«
»General Sepi hat es mir gegeben.«
»Kenn ich nicht. Wahrscheinlich hast du dir den Namen einfach ausgedacht! Warum dann nicht auch gleich noch einen General?«
»Ihr irrt Euch. Alles, was ich sage, stimmt genau.«
»Ich möchte nur wissen, ob du allein oder mit einer Bande arbeitest.«
Allmählich verlor Iker die Geduld, was dem anderen nicht entging.
»Keine unüberlegten Bewegungen, Bürschchen! Sonst bohre ich dir mein Schwert in den Bauch, und alle meine Untergebenen werden zu meinen Gunsten aussagen.«
Es waren zu viele, als dass Iker sie hätte bezwingen können, und ihren Pfeilen konnte er nicht entkommen, egal wie schnell er lief.
»Ich möchte, dass der Stadtvorsteher von Kahun das Siegel bricht und dieses Empfehlungsschreiben liest. Dann werdet Ihr einsehen, dass Ihr Euch geirrt habt.«
»Jetzt drohst du mir auch noch! Du wirst eine ganze Zeit lang im Gefängnis bleiben.«
»Ihr habt kein Recht, mich einzusperren.«
»Das meinst du vielleicht… Legt ihm die Handschellen aus Holz an.«
Drei Wachen warfen sich auf den jungen Schreiber und drückten ihn zu Boden. Als sie ihn wieder aufrichteten, waren ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt.
»Was macht Ihr mit meinem Esel?«
»Das ist ein schönes, gesundes und kräftiges Tier! Den kann ich gut brauchen.«
»Und mein Werkzeug?«
»Das tauschen wir gegen Kleider ein.«
»Ihr seid ein gemeiner Dieb!«
»Vorsichtig, Bürschchen, vertausche nicht die Rollen! Du bist der Dieb. Und man wird mich dafür loben, dass ich dich rechtzeitig festgenommen habe. Wenn du erst mal ein paar Monate in einem stinkenden Kerker mit anderen Gaunern von deiner Sorte verbracht hast, wirst du schon unterwürfiger. Einige Jahre Zwangsarbeit machen dir dann wieder Appetit auf Fleiß und
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