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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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residierte die Ogdoade, eine Gemeinschaft von acht Schöpfungsgöttern in vier Paaren.) Während Iker fasziniert den majestätisch dahinfließenden Nil betrachtete, spürte er plötzlich einen Blick auf sich ruhen.
    Als er sich umdrehte, sah er sich einem großen hageren Mann mit gebieterischen Augen gegenüber.
    »Wirst du in Chemnu bleiben, oder fährst du weiter Richtung Süden?«, fragte dieser ihn barsch.
    »Weshalb sollte ich Euch antworten?«
    »Weil du dich hier auf meinem Gebiet befindest.«
    »Ihr seid doch nicht etwa der Fürst dieser Provinz?«, fragte Iker ungläubig.
    »Nein, aber ich bin seine rechte Hand, General Sepi, und ich wache darüber, dass niemand gegen unsere Gesetze verstößt. Jeder Fremde, der sich ungehörig verhält, wird sofort des Landes verwiesen. Also – entweder sagst du mir, was du hier willst, oder du verschwindest wieder.«
    »Mein Name ist Iker, und ich komme aus dem Gazellengau. Ich habe eine Empfehlung von Techat bei mir, in der sie darum bittet, dass ich hier bei Euch meine Ausbildung als Schreiber fortsetzen darf.«
    »Techat… Ist sie nicht schon lange tot?«
    »Ich kann Euch versichern, sie ist sehr lebendig.«
    »Beschreibe sie mir.«
    Iker tat wie geheißen. Aber General Sepi zeigte keine Reaktion.
    »Was ist mit dieser Empfehlung? Ich möchte sie sehen.«
    »Sie ist an Herrn Djehuti gerichtet, und ich gebe sie keinem anderen!«
    »Du bist reichlich starrköpfig, junger Mann! Hast du vielleicht irgendetwas zu verbergen?«
    »Nein, ich habe nur gelernt, Fremden zu misstrauen. Woher soll ich wissen, ob Ihr wirklich ein General seid?«
    »Starrköpfig und misstrauisch… das ist eigentlich gar nicht schlecht.«
    Das Boot legte an.
    Etwa zwanzig Soldaten durchsuchten die Reisenden und unterzogen sie einem langen Verhör. Ein Offizier trat zu Sepi und begrüßte ihn ehrerbietig.
    »Freut mich, Euch wiederzusehen, mein General. Ich wage gar nicht zu fragen, ob…«
    »Ja, meine Mutter ist gestorben. Zum Glück konnte ich in ihren letzten Stunden bei ihr sein und mich dann um die Bestattung kümmern. Sie war eine aufrechte Frau, und ich bin mir sicher, dass Osiris sie nicht verurteilen wird.«
    Iker traute sich nicht wegzugehen.
    »Gehört dieser Junge zu Euch, mein General?«
    »Ja, ich nehme ihn mit in die Hauptstadt. Pack deine Sachen auf diesen Esel, Iker.«
    Der angehende Schreiber gehorchte, und das Tier musste sich keine Sorgen machen, es könnte unter der Last zusammenbrechen.
    General Sepi schritt zügig aus.
    »Wenn du aus dem Gazellengau kommst, warum hast du ihn dann verlassen?«
    »Fürst Chnum-Hotep braucht keine neuen Schreiber, außerdem bin ich in Medamud geboren.«
    »Tatsächlich, in Medamud?«
    »Ja.«
    »Warum hast du deine Familie verlassen?«
    »Ich bin Waise. Der alte Schreiber, der mir die Grundlagen unseres Berufes beigebracht hat, ist gestorben.«
    »Und dann hast du dein Glück bei Chnum-Hotep versucht… Warum ausgerechnet dort?«
    »Das war Zufall.«
    »Zufall, so«, wiederholte der General skeptisch. »Du suchst nicht vielleicht zufällig jemand?«
    »Ich bin nur hierher gekommen, weil ich ein guter Schreiber werden will.«
    »Du machst auf mich einen überaus entschlossenen Eindruck, da muss etwas Ungewöhnliches sein, was dich so beflügelt. Ich kann verstehen, dass du mir nicht gleich die ganze Wahrheit sagen willst; wenn du aber in unserer Provinz vorankommen willst, musst du dich früher oder später erklären.«
    »Wann kann ich Fürst Djehuti sehen?«
    »Ich werde ihm von dir berichten, dann entscheidet er. Kannst du geduldig sein, Iker?«
    »Nur, wenn es nicht anders geht.«
     
     
    Djehuti, Herrscher über den schönen Hasengau, hatte ganz vergessen, wie alt er war. Er war Oberritualist der Mysterien des Thot und Priester der Göttin Maat und stammte aus einer der sehr alten Familien, deren Ursprünge bis in die Zeit der Pyramiden zurückreichten. Nachdem er bereits die Herrschaft von Amenemhet II. und Sesostris II. erlebt hatte, musste er nun auch noch den dritten Sesostris ertragen, von dem seine Berater und Informanten nur das Schlimmste zu berichten wussten. Warum nur blieb dieser Monarch nicht in seinem Palast in Memphis, wo er unaufhörlich von seinen Höflingen umschwärmt wurde? Sollte er tatsächlich beabsichtigen, die Vorrechte der Gaufürsten aufzuheben, war ein Krieg unausweichlich.
    Und was machte dieser König eigentlich Provinzverwaltern wie Chnum-Hotep oder ihm zum Vorwurf? Auf ihrem Grund und Boden war alles in

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