Der Baum des Lebens
wollten sich mit Hilfe des einzig wahren Gottes von der Unterdrückung durch die Ägypter befreien.«
»Wie heißt denn dieser Gott?«
»Es ist der Gott des Propheten. Er hat den Bewohnern von Sichern die Augen für die Wahrheit geöffnet, und alle sind ihm gefolgt.«
»Dann ist er also der Urheber dieses Unglücks! Trage so viele Aussagen wie möglich über ihn zusammen.«
»Sollen wir die Stadt schleifen?«
»Nein, ich werde die erforderlichen magischen Vorkehrungen treffen, damit es nicht noch einmal zu derartigen Verirrungen kommen kann. Eine neue, stärkere Garnison sorgt dann für den Schutz der Siedler, die sich schon sehr bald wieder hier niederlassen werden. Und du, General, unternimmst eine Reise durch alle Städte von Kanaan. Ich will, dass ihre Bewohner unsere Streitmacht sehen und wissen, dass sie ohne Umschweife gegen jeden Feind von Ägypten vorgeht.«
Anschließend ließ Sesostris an mehreren Stellen, vor allem in der Nähe des zerstörten Tempels, der unverzüglich wieder aufgebaut werden sollte, rote Tonscherben vergraben. Sie trugen Beschwörungsformeln gegen die finsteren Mächte und die Kanaaniter. Sollten diese noch einmal den Frieden zu stören versuchen, würden sie verflucht.
Und der König fragte sich: War dieser Prophet nur ein blutrünstiger Irrer, oder stellte er eine echte Gefahr dar?
Jetzt wusste der Prophet, was er hatte erfahren wollen.
Sesostris war keiner von diesen laschen, unentschlossenen Herrschern, die sich vom Lauf der Dinge gängeln ließen und zu keiner Entscheidung fähig waren. Dieser Pharao schreckte auch nicht davor zurück, seine Macht zu gebrauchen, und bei ihm durfte man nicht auf Trägheit zählen.
Das machte den Kampf um den endgültigen Sieg aber nur umso reizvoller. Allerdings hatte sich ein unmittelbarer Angriff nun bereits als undurchführbar erwiesen. Selbst wenn alle Stämme der Kanaaniter und Beduinen gemeinsam kämpfen würden, was in absehbarer Zukunft äußerst unwahrscheinlich war, hätten sie noch immer nicht genug Soldaten, um das Heer von Sesostris anzugreifen.
Deshalb blieb der Terror als das einzig wirksame Mittel.
Wenn man Angst und Schrecken im Land verbreitete, wenn man Widerständler, Aufrührer und Zerstörer aller Gruppierungen zusammentrommelte, konnte man Ägypten vergiften und schließlich auch vernichten.
Schiefmaul und seinen Einheiten war es gelungen, Richtung Süden zu fliehen, ehe der Feind seine Sperren aufgebaut hatte. Der Prophet, Shab der Krumme und drei erfahrene Männer hatten sich für einen schmalen Pfad Richtung Osten entschieden, der sich zwischen von der Sonne ausgedörrten Hügeln dahinschlängelte.
»Wohin gehen wir?«, fragte Shab, dem die Vorstellung eines erneuten Marschs durch die Wüste gar nicht gefiel.
»Wir werden einige Beduinenstämme bekehren. Danach treffen wir uns mit Schiefmaul.«
Bei Tagesanbruch legte die kleine Gruppe in einer Schlucht eine Pause ein. Der Prophet stieg auf einen Hügel, um zu erkunden, welchen Weg sie an diesem Tag nehmen würden.
»Keine Bewegung«, befahl ihm plötzlich eine heisere Stimme. »Wenn du versuchst zu fliehen, schießen wir.«
Er war umringt von etwa zwanzig Ordnungshütern mit ihren Hunden. Bewaffnet mit Pfeil und Bogen und Knüppeln, waren sie plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht. Selbst wenn er seine besonderen Kräfte einsetzte, konnte der Prophet diese erfahrenen Kämpfer nicht besiegen, und schon gar nicht ihre großen Hunde, die sich nicht um die Wüstengeister scherten.
»Bist du allein?«
»Ja, ich bin allein«, antwortete er laut genug, dass ihn seine Begleiter hören konnten. »Und wie ihr seht, bin ich unbewaffnet. Ich bin nur ein einfacher Beduine auf der Suche nach seinen Ziegen, die ihm weggelaufen sind.«
»Du kommst nicht etwa zufällig aus Sichern?«
»Nein, ich lebe hier, weit weg von der Stadt, mit meiner Ziegenherde. Ich komme höchstens in die Stadt, wenn ich Milch und Käse verkaufen will.«
»Aha, jetzt kommst du jedenfalls mit uns. Wir werden das überprüfen.«
Ein Wachmann fesselte dem Propheten die Hände. Ein zweites Seil legte er ihm um den Hals, um ihn damit wie einen störrischen Esel hinter sich herzuziehen.
»Habt ihr sonst noch jemand entdeckt?«, fragte der Vorgesetzte seine Leute.
»Nein, wir haben nur den hier gefunden«, antwortete ihm einer.
32
Techat hatte Iker das Geld für die Fahrt mit dem Schiff nach Chemnu gegeben, der »Stadt der Acht« und Hauptstadt des Hasengaus. (Dort
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