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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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das Schreibwerkzeug hervor: eine Palette aus Sykomorenholz, einen Köcher für Schreibrohre und Pinsel, einen Beutel mit Papyrusrollen, ein Säckchen mit Farbpigmenten, einen kleinen Spachtel zum Glätten der Schreibtafeln, das unerlässliche Glättholz für Korrekturen auf Papyrus, Tintenfässer, rote und schwarze Farbtäfelchen, Holztafeln und einen Kratzer.
    »Wie heißt die Palette?«
    »Sehen und Hören«, antwortete einer der Lehrlinge (Maasedjem).
    »Richtig. Vergesst nicht, dass die Palette eine der Verkörperungen Thots ist. Er allein kann euch die Worte Gottes beibringen und ihren Sinn entschlüsseln lehren. Dank seiner Palette sind die Lebensdauer von Re, dem göttlichen Licht, und die Herrschaftszeit von Horus, dem Beschützer des Pharaos, festgehalten. Mit einer Palette umzugehen, ist ein ernster und geweihter Akt. Deshalb muss davor auch erst ein Ritual begangen werden.« (Hieroglyphe ist ein Begriff aus dem Griechischen und bedeutet »heilige Gravuren«. Die ägyptische Bezeichnung dafür lautet medu neter – »Worte Gottes«.)
    Der General stellte die Statue eines sitzenden Pavians mit nachdenklichen Augen vor seinen Schülern auf den Boden. (Der Pavian verkörpert Thot und soll den konzentrierten Schreiber inspirieren.) Nun füllte der Lehrer ein kleines Gefäß mit Wasser.
    »Für dich, den Meister der heiligen Sprache, vergieße ich diese Energie, die Geist und Hand beflügelt. Nimm das Wasser aus dem Tintenfass für deinen ka, Imhotep.«
    Der Lehrer schwieg lange, dann änderte er die Haltung einiger Schüler, die er zu schlapp oder zu steif fand. Schließlich zeigte er ihnen verschiedene fein gearbeitete Schreibrohre und Pinsel, die fünfundzwanzig Zentimeter lang waren.
    »Weiß einer von euch, welches Material sich am besten für ihre Herstellung eignet?«
    »Binsen, die in einem salzigen Sumpf gewachsen sind«, antwortete ein Schüler.
    »Ist das Hasenöhrchen * nicht besser?«, fragte Iker.
    »Aus welchem Grund?«, wollte Sepi wissen.
    »Weil diese Pflanze sehr widerstandsfähig ist und außerdem Insekten vertreibt.«
    »Ihr schreibt nicht gleich auf Papyrus«, fuhr Sepi fort, »sondern auf Holztafeln mit einer dünnen Schicht Gips darauf. Wenn ihr euch verschreibt, könnt ihr das leicht verbessern und die Oberfläche glätten. Wenn die erste Gipsschicht aufgearbeitet ist, tragt ihr eine neue auf. Faulheit und Unachtsamkeit sind eure ärgsten Feinde. Sie machen euch zu Dummköpfen und verhindern, dass ihr Fortschritte macht. Hört auf die Ratschläge von denen, die mehr wissen als ihr, und arbeitet jeden Tag mit dem größten Eifer. Solltet ihr dazu nicht bereit sein, könnt ihr diese Schule augenblicklich verlassen.«
    Zwei Schüler waren von der Strenge des Lehrers so verschreckt, dass sie sofort gingen.
    »Thot hat die Sprachen aufgeteilt«, fuhr Sepi mit seinen Ausführungen fort. »Indem er die Worte, die in einer Gegend gesprochen werden, von denen einer anderen Gegend unterschied, hat er die Gedanken der Menschen zu Tage geführt, die sich von der Wahrheit und dem rechten Weg abgewandt haben. Die Götter im Goldenen Zeitalter sprachen alle dieselbe Sprache; heute bekämpfen sich die Menschen, die von allem Göttlichen abgeschnitten sind und sich nicht verstehen. Doch Thot hat uns die Worte der Stärke übermittelt, und ihr werdet lernen, sie zu entziffern und auf Holz, Leder, Papyrus und Stein niederzuschreiben. Dabei müsst ihr eine grundlegende Regel beachten: Setzt nie ein Wort an die Stelle eines anderen und vermischt nicht eine Sache mit einer anderen. Hier lernt ihr die Schrift vom Haus des Lebens, die gleichermaßen aus Elementen der Erkenntnis, magischen und geheimnisträchtigen Symbolen besteht. Geist kann nur unmittelbar über die Schrift ausstrahlen. Wenn ihr glaubt, Hieroglyphen wären nichts anderes als Bilder und Laute, werdet ihr dieses Geheimnis nie verstehen. In Wahrheit enthalten sie alles über die geheime Natur der Lebewesen und der Dinge, ihr innerstes Wesen. Die heilige Sprache ist eine kosmische Macht, sie ist der Schöpfer der Welt. Und nur der Pharao, der Oberschreiber, kann sie vollkommen beherrschen. Deshalb heißt er auch ›erad ‹ was so viel wie »großes Haus« bedeutet. Die Hieroglyphen brauchen die Menschen nicht, sie wirken ohne ihre Hilfe. Deshalb müsst ihr die Schriften, die ihr entdeckt oder übertragt, voller Ehrfurcht behandeln, weil sie viel wichtiger sind als eure belanglose kleine Person.«
    Iker war begeistert.
    Das alles hatte er schon

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