Der Baum des Lebens
Handelsunternehmungen betraf, so hatte keine das Land Punt zum Ziel gehabt.
Nur der erfreulichen Gesundheit von Nordwind, der prächtig gedieh, und dem wertvollen Unterricht von General Sepi war es zu verdanken, dass Iker nicht in Trübsal verfiel.
Als Iker eines Tages das Klassenzimmer verlassen wollte, nachdem er es bis in die hinterste Ecke gründlich geputzt hatte, lief er drei jungen Mädchen in die Arme, die ebenso anmutig wie albern waren. Sie trugen schöne Kleider, Arm- und Fußreifen, Perlenketten, Kornblumenkränze im Haar… Echte Prinzessinnen, die stolz ihre Reichtümer zur Schau stellten!
»Bist du etwa der Schreiber Iker?«, fragte ihn die Größte schmeichlerisch.
»Ich bin nur ein Lehrling.«
»Es hat den Anschein, als würdest du zu viel arbeiten«, säuselte die Jüngste von ihnen verschmitzt.
»Meines Erachtens kann man gar nicht genug arbeiten. Es gibt so viele bedeutende Texte zu lernen!«
»Wird das nicht mit der Zeit ein bisschen langweilig?«
»Ganz im Gegenteil! Je mehr man sich in die Hieroglyphen vertieft, desto mehr Wunder entdeckt man.«
»Und was ist mit uns, wie findest du uns?«
Iker wurde bis über beide Ohren rot. »Also, ich… Wie ich euch finde?… Es tut mir Leid, aber ich muss mich jetzt um meinen Esel kümmern.«
»Sind wir nicht ein wenig verführerischer als dieses Tier?«, fragte ihn jetzt die, die bislang noch nichts gesagt hatte.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber ich bin wirklich in Eile.« Iker ergriff die Flucht, und es gelang ihm, diesen drei Schönheiten zu entkommen, die sich erstaunlich ähnlich waren. Vermutlich waren sie fast gleich alt, und man konnte sie auf den ersten Blick kaum auseinander halten. Aber irgendwie wirkten sie gekünstelt, und ihr Benehmen war viel zu geziert; Iker hatte nur einen Wunsch: dass sie ihn nicht weiter belästigten.
Dieser Wunsch ging allerdings nicht in Erfüllung.
Noch am gleichen Abend klopfte die Jüngste an seine Tür.
»Ich hoffe, ich störe dich nicht, Iker?«
»Nein… eigentlich schon… Ihr könnt jetzt nicht hereinkommen, weil…«
»Weil schon ein anderes Mädchen in deinem Zimmer ist?«
»Nein, natürlich nicht!«
»Dann will ich dir zeigen, was ich vorbereitet habe.«
Sie war übertrieben geschminkt: zu viel grüne Farbe um die Augen, zu viel Rot auf den Lippen, zu viel Duftwasser.
Sie stellte zwei Platten auf den Boden.
»Das eine ist Gebäck aus Brustbeeren-Früchten«, erklärte sie. »Meine Dienerin hat sie zermahlen, um ein besonders feines Mehl zu bekommen, und ich selbst habe den Honig dazugegeben, ehe der Kuchen in den Ofen kam. Das andere ist ein Kräuterkäse aus der Milch von unserer schönsten Kuh. Du kriegst sonst bestimmt nicht solche feinen Sachen zu essen, stimmt’s? Wenn du nett zu mir bist, wird es dir an nichts mehr fehlen.«
»Das kann ich nicht annehmen.«
»Warum denn nicht?«
»Ihr seid sicher eine hochrangige Persönlichkeit, und ich bin nur ein Schreiberlehrling.«
»Wieso willst du nicht auch eine hochrangige Persönlichkeit werden? Ich kann dir dabei helfen, das kannst du mir glauben!«
»Mir ist es aber lieber, wenn ich allein zurechtkomme.«
»Jetzt sei doch nicht so stur! Willst du etwa behaupten, dass ich dir nicht gefalle…«
Iker sah ihr in die Augen.
»Ihr gefallt mir wirklich nicht.«
»Du scheinst gern gefährlich zu leben, Iker. Weißt du denn tatsächlich nicht, wer ich bin?«
»Egal, wer Ihr seid, ich will Eure Geschenke nicht.«
»Ist dein Herz etwa schon vergeben?«
»Das geht niemanden etwas an.«
»Vergiss sie! Wer könnte es wagen, sich mit Djehutis Tochter zu messen, dem Herrscher über den Hasengau! Meine Schwestern und ich, wir suchen uns die Männer aus, mit denen wir uns unterhalten wollen. Und du bist einer der Auserwählten!«
Langsam ließ sie einen Träger ihres Kleids über die Schulter rutschen.
»Bitte verlasst sofort mein Zimmer!«, verlangte Iker.
»Beschäme mich nicht, das musst du teuer bezahlen!«
»Hört endlich mit diesem dummen Spiel auf und lasst mich in Frieden!«
»Ist das dein letztes Wort?«
»Ihr habt mich sehr gut verstanden.«
Sie schob den Träger von ihrem Kleid wieder an seine Stelle und sah den Schreiberlehrling hasserfüllt an, der ihr die beiden Platten reichte.
»Vergesst nicht Eure Sachen!«
»Deine Stunden in dieser Provinz sind gezählt, du unverschämter Kerl!«
Nachdem Iker sein Eselchen gefüttert hatte, ging er in den Speiseraum. Erst beim letzten Löffel Suppe
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