Der Baum des Lebens
Boden, und der Prophet begann seine Predigt.
Dabei wiederholte er sich hartnäckig und hackte immer wieder auf den gleichen Themen herum: Gott hatte zu ihm gesprochen, er allein konnte ihn verstehen, die Ungläubigen mussten gewaltsam bekehrt werden, die Gotteslästerer beseitigt, und die Frauen durften nicht mehr die unerhörten Freiheiten genießen, die ihnen Ägypten zugestand. Quelle allen Übels waren der Pharao und die Kunst des Herrschers, den Glauben an Maat lebendig zu halten. Wenn die endlich zum Schweigen gebracht waren, würde die Lehre des Propheten alle Grenzen aufheben. Die ganze Erde wäre nur noch ein einziges Land unter der Herrschaft des wahren Glaubens.
»Rasiert euch«, befahl der Prophet seinen Getreuen, »kleidet euch wie die Einwohner von Memphis und taucht in dieser Stadt unter. Weitere Anweisungen folgen.«
Shab der Krumme war zutiefst beeindruckt von der Rede seines Herrn und konnte es kaum erwarten, das Haus zu verlassen, um ihm Fragen zu stellen.
»Diese Männer waren doch Kanaaniter aus Sichern, Herr?«
»Ja.«
»Habt Ihr sie nach Memphis geholt?«
»Ja, und es werden noch viele folgen.«
»Dann habt Ihr also weiterhin vor, Sichern zu befreien?«
»Ich gebe niemals auf, aber man muss sich anpassen. Wir werden die ägyptische Gesellschaft von innen zerfressen, ohne dass sie es überhaupt merkt. Und das großzügige und offene Memphis persönlich wird uns mit dem Gift versorgen, mit dem wir sie töten. Wir brauchen viel Zeit und Geduld, mein Freund, außerdem müssen wir noch zu anderen Mitteln greifen.«
Aber es sollte weitere Überraschungen für Shab geben.
In einer anderen Gasse standen sie vor dem Eingang zu einer schönen einstöckigen Wohnung. Der Prophet sprach den Türhüter in einer unbekannten Sprache an.
Und der ließ ihn und Shab passieren.
Die beiden Besucher wurden von einer geschwätzigen freundlichen Person begrüßt. Die rundlichen Formen des Mannes ließen darauf schließen, dass er gern gut aß.
»Da seid Ihr ja endlich, Herr! Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Es gab nur ein paar unbedeutende Zwischenfälle.«
»Gehen wir in den Wohnraum. Mein Koch hat Kuchen gebacken, die den anspruchsvollsten Palästen genügen dürften.«
Shab der Krumme ließ sich nicht lange bitten, aber der Prophet rührte das Gebäck nicht an.
»Wie weit sind wir?«, fragte er mit einer Stimme, die sofort eisige Atmosphäre verbreitete.
»Es geht vorwärts, Herr.«
»Bist du dir da sicher, mein Freund?«
»Ihr wisst doch, dass es nicht einfach ist! Aber der erste Trupp bricht bald auf.«
»Ich dulde keine Fehler«, erklärte der Prophet.
»Ihr könnt auf mich zählen, Herr!«
»Welchen Zielort hast du gewählt?«
»Die kleine Stadt Kahun. Für Sesostris ist sie sehr wichtig. Ich habe gute Verbindungen dahin. Unsere Leute können sich dort ohne allzu viele Schwierigkeiten einnisten.«
»Ich hoffe sehr, dass du dich nicht täuschst.«
»Nein, aber ich brauche mehr Zeit als vorgesehen war, damit es keine Fehler gibt, Herr. Ihr werdet sehen, Kahun ist der passende Ort. Der König ist ein kluger Mann, der sich vorzusehen weiß, und er hat kein Vertrauen in den Hof von Memphis.«
Der Prophet lächelte hintergründig. Ja, dieses Vorhaben war nicht schlecht. Seine Leute hatten gute Arbeit geleistet.
Als sich die Stimmung allmählich entspannte, verspeiste der Gastgeber genüsslich einen gewaltigen Kuchen, der in Johannisbrotsirup schwamm, und Shab tat es ihm nach.
»Ich nehme an, der Pharao hat seinen Beraterkreis stark verkleinert«, fuhr der Prophet fort.
»Leider ja, Herr. Gerüchten zufolge, die mir glaubwürdig erscheinen, besteht der Königliche Rat nur mehr aus einem ganz engen Kreis von Vertrauten.«
»Kennst du ihre Namen?«
»Darüber wird zu viel getuschelt… Man behauptet sogar, der König habe beschlossen, den Provinzfürsten das Rückgrat zu brechen, die ihm feindlich gesinnt sind. Das glaube ich aber nicht. Wenn er das täte, würde es zu einem Krieg unter Ägyptern kommen.«
»Du hast doch Verbindungen in den Palast?«
»Herr, das ist äußerst heikel…«
»Aber ich brauche sie.«
»Also gut… Ich werde mich darum kümmern.«
»Kann ich mich auf dich verlassen, mein Freund?«
»Aber natürlich, voll und ganz!«
»Dann bis bald.«
Shab der Krumme verschlang noch schnell einen letzten Kuchen. Der Süßwarenbäcker ihres Gastgebers war unvergleichlich, aber ihr Gastgeber selbst hatte ihn überhaupt nicht überzeugt. In gehörigem Abstand zu
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