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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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schenken. Dich beauftrage ich mit der Leitung der Bauarbeiten.«
     
     
    »Gottes Elle ist der Maßstab für die Steine«, erklärte der oberste Bildhauer. »Er legt die Messschnur auf den Boden, stellt die Tempel rechteckig auf, nimmt den Bau jedes heiligen Gebäudes unter seinen Schutz, in dem sich sein Herz ganz nach Belieben bewegt. Und seine Liebe beseelt die Arbeiter.«
    Und dann ertönte der Gesang von Hammer und Meißel in dem Steinbruch, in dem der Koloss – die Stütze des ka – herausgeschlagen wurde.
    Die Steinbrucharbeiter hatten die endlos vielen Gesteinsschichten markiert, die sie zerschneiden wollten, ohne den Stein zu verletzen; und die einheimischen Bildhauer arbeiteten unter der Leitung eines Handwerkers, der in die Mysterien eingeweiht war. Aufgrund der beeindruckenden Größe des Standbilds – es war dreizehn Ellen hoch (das sind etwa sechs Meter fünfzig) und sechzig Tonnen schwer –, bereitete der Transport aus dem Steinbruch ernsthafte Schwierigkeiten. Die riesige Statue zum Nil zu schleppen, würde mindestens drei Stunden dauern, immer vorausgesetzt, das Verfahren funktionierte; für die Überfahrt wurde dann ein Lastkahn benötigt, anschließend musste das Kunstwerk erneut geschleppt werden, nämlich an seinen Bestimmungsort, den Tempel des Thot. Das war ein langer und äußerst schwieriger Weg, den Iker immer wieder überprüft hatte, um jede unangenehme Überraschung von vornherein auszuschließen. Hätte man sich für einen Steinbruch entschieden, der näher an der Hauptstadt lag, wäre es einfacher gewesen, aber Djehuti hatte bestimmt, welches Material angemessen war, und duldete kein anderes.
    »Das wird das allergrößte Fest, das bisher in meiner Provinz gefeiert wurde«, schwärmte Djehuti. »Wein und Bier sollen in Strömen fließen, die Bevölkerung wird jubeln! Noch nach tausend Jahren wird man von diesem Koloss sprechen. Meine Bildhauer sollen ein wahres Wunderwerk vollbringen, in dem sich Kraft und Anmut vereinen. Sein Anblick wird Sesostris überwältigen.«
    »Ich will ja kein Spielverderber sein, Herr«, unterbrach ihn Iker, »aber wir müssen die Beförderung noch klären.«
    »Wie viele Leute hast du vorgesehen?«
    »Wir werden mehr als vierhundert brauchen, und aus so vielen Menschen eine eingespielte Mannschaft zu machen, ist eine harte Nuss.«
    »Weniger als die Hälfte genügt«, entgegnete Djehuti. »Jeder der glücklichen Auserwählten wird Kraft für hundert aufbringen!«
    »Eure Soldaten machen mir die Sache auch nicht leichter. Kein Offizier will die Leitung an mich abtreten.«
    »Nimm nur Soldaten! Du wirst vor allem die Jungen brauchen, die am kräftigsten sind. Und vergiss die Priester nicht.«
    »Die Priester, aber…«
    »Die Beförderung von diesem Standbild ist keine weltliche Aufgabe, Iker! Auf dem ganzen Weg müssen die Ritualisten Schutzgebete sprechen. Mach diese kleine Welt zu einer eingeschworenen Gemeinschaft, dann wirst du eine angesehene Persönlichkeit. Du darfst nur einen einzigen Gedanken haben: Scheitern verboten.«
    Iker war froh über seine Ausbildung als Langstreckenläufer, weil er tagelang hin und her laufen musste, bis er endlich ein-hundertzweiundsiebzig Männer aus den Freiwilligen ausgewählt hatte. Nach den Berechnungen des jungen Schreibers waren genau so viele Männer nötig, um den bearbeiteten Stein im idealen Takt zu ziehen.
    Als die riesige Skulptur fertig war, rief Iker seine Mannschaft zusammen und teilte sie in vier Reihen ein. Die eine Außenreihe bildeten junge Männer, die aus der westlichen Umgebung stammten, die andere äußere Reihe solche, die aus der östlichen kamen. Die beiden inneren Reihen bestanden aus Soldaten und Priestern.
    Man hatte den Koloss auf einen Schlitten gestellt und gründlich mit Tauen befestigt, an denen die vier Reihen jetzt gleich ziehen wollten – das Ganze war wie ein Fest. Schließlich versicherte sich Iker, dass alles in Ordnung zu sein schien. Trotzdem war er sehr unruhig, als er das Zeichen zum Aufbruch gab.
    Aufseher gossen Wasser auf den schlammigen Untergrund.
    »Zieht an!«, befahl Iker.
    Und ganz langsam setzte sich der Schlitten in Bewegung.
    Der nasse Boden erleichterte den hundertzweiundsiebzig Männern ihre Arbeit, die stolz darauf waren, an dieser sagenhaften Leistung mitzuwirken. »Der Westen feiert«, sangen die jungen Männer aus dem Westen, »unsere Herzen sind voller Freude, wenn sie die Denkmäler ihres Herrn sehen.«
    Allmählich fand man zu einem guten Rhythmus, der

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