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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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nicht zu schnell und nicht zu langsam war. Soldaten wedelten den ziehenden Männern mit Palmblättern Abkühlung zu.
    Die Strecke, die Iker hundertfach überprüft hatte, war so gut wie möglich eingeebnet worden. Eigentlich musste man mit keiner bösen Überraschung rechnen.
    Iker hatte von den Befestigungspunkten der Seile bis hin zu jedem einzelnen Mann alles im Blick. Dann prüfte er wieder den Koloss, der unerschütterlich auf seinem Schlitten stand.
    Plötzlich überkam Iker ein ungutes Gefühl. Die schöne Harmonie schien im nächsten Augenblick zu zerbrechen, aber er wusste nicht warum. Alles wirkte normal. Doch sein Gefühl täuschte ihn bestimmt nicht.
    Aufgeregt lief er hin und her und suchte nach der drohenden Gefahr. Erst als er nach oben sah, begriff er, was los war.
    Der Koloss hatte auf einmal einen ganz anderen Gesichtsausdruck! Seine steinernen Augen drückten größtes Missfallen aus!
    »Schnell«, rief Iker, »wir brauchen Weihrauch!«
    Ganz offensichtlich verlangte die Statue des ka nach rituellen Handlungen.
    Zum Glück hatte einer der Priester, die den Zug begleiteten, ein Weihrauchfass bei sich.
    Iker stieg auf die Knie des Standbilds und streckte seine Hände zum Zeichen der Verehrung aus. Der Priester öffnete das Weihrauchfass, dem duftender Rauch entstieg, der Mund, Ohren und Augen der Statue erreichte. Die Beere der Terebinthe, die senter, »die Göttlichmachende«, umgab den Stein mit Wohlgeruch, während der junge Schreiber im Gebet verharrte und darum bat, dass sich der Weg öffnete.
    Die Beweihräucherung wurde fortgesetzt, bis der Nil erreicht war.
    Die Überfahrt verlief ohne Zwischenfälle, und der Rest des Weges wurde unter großem Jubel der Bevölkerung zurückgelegt. Kein einziger Provinzeinwohner hatte dieses Ereignis versäumen wollen, und auf den erfolgreichen Abschluss des Unternehmens folgte, wie von Djehuti versprochen, ein riesiges Festmahl unter freiem Himmel.
    Als die Statue schließlich vor der Tempelfassade aufgestellt war, beglückwünschte Djehuti einen völlig erschöpften Iker.
    »Auftrag erfolgreich ausgeführt, junger Schreiber! Vergiss trotzdem nicht, dass jede Hieroglyphe, jedes Zeichen und jede Statue, gleichgültig wie groß sie ist, einen Teil vom Geheimnis der Schöpfung erklärt. Heute ist es der königliche ka, der verehrt wird. Ausruhen kannst du dich übrigens später, jetzt musst du erst einmal einen ausführlichen Bericht über dieses Unternehmen schreiben.«

 
43
     
     
     
    Zusammen mit den Festen, die regelmäßig zu Beginn der Flut gefeiert wurden, bedeuteten die Geburtstagsfeierlichkeiten für den Koloss für die Bevölkerung zwei freie Wochen, in denen gegessen und getrunken, gesungen und getanzt und den Gottheiten gehuldigt wurde. Djehuti erfreute sich einer nie da gewesenen Beliebtheit. Mehrere Stunden am Tag verbrachte er in seiner ewigen Ruhestätte, in der eine Wand, die bald fertig gestellt sein würde, die Szenen von dem erstaunlichen Transport des Kolosses zierten. Iker sorgte dafür, dass der Hieroglyphentext ordentlich verfasst wurde.
    Ganz offensichtlich hatte der junge Schreiber eine steile Laufbahn vor sich, worum er auch bereits heftig beneidet wurde. Erfahrene Beamte, die schon lange auf ihrem Posten arbeiteten, konnten sich nicht so ohne weiteres damit abfinden, dass ihr Herr einen Knaben förderte, der wie ein Einzelgänger lebte, mit niemand etwas zu tun haben wollte und sich in harter Arbeit vergrub. Trotzdem wagte man es noch nicht, ihn anzugreifen, was zum Teil an Djehutis Schutz lag, zum Teil aber auch an den Hinweisen, die Iker über manche von ihnen gesammelt hatte. Als er die Bilanz über die Stärken und Schwächen der Provinz aufgestellt hatte, musste er unweigerlich auf die Unzulänglichkeiten der anderen Amtsträger gestoßen sein. Ein Wort von ihm, und es würden Strafen folgen. Deshalb war es besser, man schmeichelte ihm ein wenig, fragte sich nur wie? Iker ging von seinem Arbeitsraum in sein Zimmer und von seinem Zimmer wieder in den Arbeitsraum und nahm an keiner gemeinsamen Veranstaltung teil. Und wenn er zwischendurch einmal mit seinem Esel spazieren ging, wirkte er so mürrisch, dass ihn niemand behelligen wollte.
    Und zu Recht, denn selbst in diesen Augenblicken der Entspannung dachte Iker nur an seine Arbeit. Man hatte ihn an die Spitze einer Gruppe von Fachleuten gesetzt, die alle wesentlich älter waren als er, und er wusste, dass er sich keinen einzigen Fehler erlauben durfte. Dabei war sein Drang

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