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Der Befehl aus dem Dunkel

Der Befehl aus dem Dunkel

Titel: Der Befehl aus dem Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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Botschaftspalais auf und ab. Immer wieder dachte er an jenen Besuch im Foreign Office zurück. »Unglaublich, unmöglich!« sagte er immer wieder zu sich selber. »Wie konnte ich mich so hinreißen lassen?«
    Wie war er dazu gekommen? Immer wieder legte er sich die Frage vor.
    Sein Freund Warner, Botschaftsrat in Paris, der ihn auf der Durchreise gestern besuchte, hatte lachend gemeint: »Sie hatten vielleicht vorher zu gut gegessen oder getrunken.«
    Aber an so etwas überhaupt zu denken, war ja lächerlich.
    Am späten Nachmittag war er im Foreign Office gewesen. Am Mittag vorher hatte er an einem Frühstück in der chinesischen Botschaft teilgenommen. Er hatte dort von den chinesischen Delikatessen nur genascht. Ein paar Gläser leichten Weines getrunken.
    Seine Gedanken blieben eine Weile bei diesem Frühstück hängen. Dieser Mr. Turi, der ihm von den Gästen am stärksten in Erinnerung geblieben war – welch bedeutender Kopf war das! Es war nicht leicht gewesen, der geistvollen, interessanten Konversation dieses Asiaten in gleicher Weise zu dienen. Daß es jener Mr. Turi verstanden hatte, ihm unbemerkt ein gewisses weißes Pulver in das Glas zu schütten, ahnte er nicht. —
    Das Reynard-Rennen in Epsom war gelaufen. Black Boy, der Hengst des Mr. Melville, hatte das Rennen als Favorit überlegen gewonnen. Strahlend nahm der Besitzer die Glückwünsche entgegen.
    »Nun, Mr. Melville, will ich Ihnen auch meinen besten Glückwunsch aussprechen. Selten ist wohl ein Rennen so klar vom besten Pferd gewonnen worden.«
    »Danke, Mr. Turi! Ihr Lob freut mich sehr. Es bleibt dabei, daß Sie mich morgen in Harwood Cottage besuchen. Entschuldigen Sie mich jetzt. Ich muß zu meinem Trainer.« Der als Mr. Turi Angeredete winkte Melville einen Gruß zu und ging zur Tribüne zurück.
    Niemand hätte in Mr. Turi den Abt von Gartok wiedererkannt. Gentleman von Kopf bis Fuß, unterschied er sich in nichts von den anderen Herren, die auf der Tribüne saßen. Im Vorübergehen nickte er wiederholt Bekannten zu und nahm dann seinen alten Platz neben Mr. Kenwigs wieder ein, dem amerikanischen Botschaftsrat, den er noch von Oxford her kannte.
    Die Unterredung der beiden mußte einen ernsteren Inhalt haben. Jedenfalls merkten sie erst, daß das nächste Rennen vorbei war, als der Sieger unter lautem Beifallsklatschen durchs Ziel ging. Mr. Turi benutzte die Gelegenheit, als viele Tribünenbesucher zum Sattelplatz strömten, um die Rennbahn zu verlassen. —
    Auch ohne den dichten Nebel, der ein paar Stunden später über London lag, hätte wohl keiner seiner Bekannten Mr. Turi in dem Chinesen vermutet, der in Begleitung eines gelben Dieners im Chinesenviertel Londons verschwand. Die chinesische Botschaft war nur zu gut beobachtet, um dort einen Besuch bei Jemitsus Vertrauensmann, dem Botschaftssekretär Ukuru, unbemerkt machen zu können. Was Mr. Turi in einer einfachen Kneipe des Chinesenviertels mit dem Botschaftssekretär besprach, sollte sich noch weittragend auswirken. —
    »Hallo, Mr. Turi! Ich freue mich, Sie in Harwood Cottage begrüßen zu können. Später werden wir zu den Pferden gehen. Jetzt wollen wir uns erst einmal mit Vergnügen an unsere schönen Eton- und Oxfordzeiten zurückerinnern.«
    Noch immer saßen die beiden und sprachen von jenen glücklichen Jugendtagen.
    Wie beiläufig bat Turi Chan Melville, ihn bei dessen Onkel, Sir Alfred Lytton, einzuführen, der seit kurzem Kolonialminister war.
    »Eine alte, wertvolle Urkunde des Klosters Gartok, das in meiner engeren Heimat liegt, ist leihweise nach dem Kloster Barum in Britisch-Indien gekommen. Dort ist sie mit anderen wertvollen Dokumenten dieses Klosters von einem unredlichen Mönch an einen englischen Besucher verkauft worden. Sie befindet sich zur Zeit in London, in Staatsbesitz. Zweifellos, lieber Melville, muß diese Urkunde an das Kloster Gartok zurückgegeben werden.«
    Melville war sofort bereit, Mr. Turi in jeder Weise zu unterstützen.
    Zwei Tage später konnte er seinem Jugendfreund mitteilen, daß Sir Alfred Lytton ihn in seinem Ministerium empfangen wolle. —
    Die kühle Haltung Sir Alfreds Mr. Turi gegenüber wurde im Lauf der Unterredung immer wärmer. Von dem Thema über die Urkunde abschweifend, unterhielten sie sich auch über die Probleme im Fernen Osten. Zum Schluß der Audienz lud der Minister seinen Besucher ein, am übernächsten Tag um sechs Uhr wieder bei ihm im Ministerium vorzusprechen.
    Mr. Turi wurde zur festgesetzten Stunde in das

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