Der beiden Quitzows letzte Fahrten
frug er nach dem Begehr der Beiden.
»Gebt mir die Schlüssel und eine Laterne,« bat Marie. »Ich will einmal Eure Pfleglinge besuchen.«
»Das ist nicht nothwendig,« antwortete er, indem er sein Auge gläsern auf das Mädchen richtete. Er war betrunken, und in diesem Zustande gedachte er nicht der Rücksicht, welche er der Nichte seines Herrn gewöhnlich entgegen zu bringen pflegte. »Die Leute sind nur mir allein übergeben worden; sie haben Alles, was ihnen gegeben werden darf, und brauchen von Alledem nichts, was Ihr hier in dem Korbe bei Euch führt.«
»Das sagt Ihr,« entgegnete Marie; »ob es aber wahr ist, davon gedenke ich mich erst zu überzeugen. Also gebt mir die Schlüssel!«
»Es gehört zu meinem Amte, daß ich sie in keine fremden Hände gelangen lasse.«
»Bin ich fremd? Laß mich nicht länger warten, sonst lasse ich sie mir von dem Oheim ausantworten!«
»Euch würde ich sie wohl am Ende nicht verweigern, aber Ihr seid nicht allein. Dieser hier hat keine Erlaubniß, die Gefangenen zu besuchen.«
»Er hat sie, denn ich habe sie ihm gegeben. Willst Du nun noch zögern?«
Er griff nun doch nach dem Bunde, welcher sich in einem Wandschranke eingeschlossen befand.
»So werde auch ich selbst Euch begleiten!«
»Nein, Du bleibst zurück! Ein Betrunkener paßt nicht in unsere Nähe.«
Er wollte sich vertheidigen; schon aber hatte sie ihm die Schlüssel abgenommen, ergriff die Laterne, welche mittlerweile von seinem Weibe in Brand gesteckt worden war, und verließ, gefolgt von Joachim, die Stube. Der Voigt zog es vor, sie ungehindert gehen zu lassen. Er nahm ein zweites Schlüsselbund aus dem Schranke und lachte:
»Mögen sie immerhin ihren Willen haben; sie können doch nur zu den gefangenen Knechten und Leuten gelangen; die Anderen aber stecken drüben unter dem Thurme, und bei denen will ich selbst einmal vorleuchten.«
Er steckte sich eine zweite Laterne an und taumelte mit ihr die Stiege hinab.
»Betrunken soll ich sein?« murrte er. »Was verstehen die Weibsleute von der Betrunkenheit! Ich bin so nüchtern wie ein Kirchensperling, nur der Kopf brummt mir ein wenig von dem Schlage, mit welchem ich in der Herberge auf den Boden gefallen bin. Und daran ist der Knabe schuld, der mich so feindlich anzublicken wagte, der und der Gans von Putlitz, denn wenn dieser nicht gefangen wäre, so hätte ich nicht von ihm gesprochen und wäre auch nicht hingeworfen worden. Könnte ich den Beiden nur einmal ein Weniges am Zeuge flicken! Na, den Putlitz, den habe ich ja, und ich werde ihm zu verstehen geben, was es heißt, sich den Kerkervoigt Matthias Schabegast zum Feinde zu machen!«
Während dieses Selbstgespräches war er an die enge Treppe gelangt, welche zu den Verließen führte, in denen diejenigen Gefangenen sich befanden, welchen der Bischof die Haft in ihrer ganzen Strenge fühlbar machen wollte. Trotz seines zweifelhaften Zustandes, kam er glücklich hinab und trat zu der Thür, hinter welcher er den Ritter von Putlitz wußte. Dieser hatte das Nahen des Kommenden gehört, doch beachtete er es kaum. Der Voigt benutzte jede Gelegenheit und Veranlassung, ihn zu quälen, jedoch war der Ritter zu stolz, um seinen Zorn in Worten auszusprechen oder sonst in irgend einer Weise merken zu lassen; er verhielt sich vielmehr vollständig schweigsam dazu und ließ dem Mann das Vergnügen, sich an seinen Qualen zu weiden. Dieser hatte ihm seinen spärlichen Antheil an Speise und Trank stets durch eine in der Thür befindliche Klappe zugereicht, jetzt aber klirrten ganz gegen diese Gewohnheit die großen eisernen Riegel zurück, der Schlüssel schrie im Schlosse, und statt der Klappe wurde der Eingang vollständig geöffnet. Der Schließer wollte sich heut ein Extragaudium mit seinem Gefangenen machen, und dazu mußte er sich ihm in seiner ganzen Größe und erhabenen Wichtigkeit zeigen. Er stellte sich daher breitspurig vor dem Eingange auf und frug:
»Wollt Ihr vielleicht Brod und Wasser?«
Er erhielt keine Antwort.
»Ich frage, ob Ihr Brod und Wasser wollt? Herr Ritter Caspar Gans von Putlitz, Lenzen und Wolfshagen!«
Er sprach den vollständigen Namen aus und nannte die drei von dem Markgrafen eroberten Schlösser, um den Gefangenen desto sicherer zu kränken und zu erbittern; aber wieder blieb die Antwort aus.
»Schön, wer nicht spricht, soll auch nichts haben! Nun seht, wo Ihr ein Futter für – – –«
Er kam nicht weiter. Putlitz hatte kaum wahrgenommen, daß die Thür vollständig
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