Der beiden Quitzows letzte Fahrten
hindurch, schwang sich mit einem weiten Sprunge über die breite Tafel, faßte mit der Rechten den Bischof bei der Brust, riß ihn zum Fenster, welches er mit der Linken öffnete, und stand dann oben auf der Brüstung, den geistlichen Herrn, welcher dieses Angriffes nicht gewärtig gewesen war und an eine Vertheidigung gar nicht gedacht hatte, hinaus über die Tiefe haltend, welche schwarz und drohend von unten heraufgähnte.
Mit Entsetzen sahen es die Anderen. Das Gebäude vertrat auf dieser dem Hofe abgewendeten Seite die Stelle der Ringmauer; die Felsen, auf denen es ruhte, stiegen fast senkrecht hinunter in das Thal, und wenn der Ritter den Bischof nicht mehr halten konnte oder wollte, so war derselbe verloren; er mußte unten zerschmettern.
»Bleibt von mir,« donnerte Caspar von Putlitz, »sonst lasse ich ihn fallen!«
In Folge dieser Drohung wagte keiner der Anwesenden, einen Schritt näher zu treten. Johann von Waldow hatte mit beiden Händen den gewaltigen Arm umklammert, von dessen Stärke sein Leben abhing: er schwebte zwischen Himmel und Erde, und die kleinste Schwäche Caspars mußte ihm Verderben bringen, aber er war ein gar geistesgegenwärtiger und willensstarker Herr, der selbst in einer solchen Lage die Besinnung nicht verlor.
»Treibt den Scherz nicht zu weit, Ritter,« rief er; »er gereicht Euch nicht zum Heile!«
»Gebt mich frei, so schenke ich Euch das Leben!« war die Antwort.
Dem Bischof war es jetzt gelungen, den einen Fuß auf die Brüstung zu bringen; die Gefahr wurde dadurch bedeutend vermindert.
»Frei? Niemals aus Zwang. Werft mich hinab, wenn Ihr könnt!«
»Meint Ihr, daß ich es nicht vermöge?«
Ein einziger Ruck des Armes, und der Bischof hatte den Halt wieder verloren.
»Nun? Frei oder nicht?«
»Nicht!«
»So seid Ihr verloren!«
»Und Ihr mit. Aus Ziesar entkommt Ihr nun nicht!«
»So sterben wir Beide!«
Mit der Rechten den Bischof haltend, faßte er mit der Linken die Hände, mit denen dieser sich fester zu klammern suchte, hob den geistlichen Herrn hoch empor und schickte sich an, mit ihm in die Tiefe zu springen. Ob dies sein wirklicher Wille war, oder ob er nur die Absicht hatte, die Einschüchterung so weit wie möglich zu treiben, er kam nicht zur Ausführung seines Vorhabens. Eine Stimme erklang im Saale:
»Herr Caspar Gans von Putlitz, was wollt Ihr thun!«
Bei dem Klange dieser Worte fuhr er rasch herum und blickte mit hochgespanntem Gesichtsausdrucke zurück. Von den im Saale Befindlichen hatte bisher Keiner ein Wort zu sprechen gewagt, aus Furcht, die Lage des Bischofs durch irgend eine Einmischung zu verschlimmern. Der Sprecher drängte sich zwischen sie hindurch und trat bis in die Nähe des Fensters vor.
»Kennt Ihr Joachim Wolf von Hagen noch, Herr Ritter?«
Ein blitzähnliches Zucken ging durch Caspars ganze Gestalt; aber er hatte sich sofort wieder gefaßt.
»Ich habe Euch niemals vergessen. Wie kommt Ihr hierher und was wollt Ihr von mir?«
»Gebt den hochwürdigen Herrn los, ich bitte Euch!«
Es war ein unbeschreiblicher Ausdruck, mit welchem Herrn Caspars Augen auf den Sprechenden herniederleuchteten. Dann warf er wie im glücklichen Stolze den Kopf in den Nacken, zog den Bischof an sich und sprang in den Saal zurück.
»Was kein Anderer erlangt hätte, Euch sei es gewährt! Hier habt Ihr den Herrn!«
Er gab den Bischof frei und trat zu Joachim. Mit der Linken seine Hand erfassend und ihm die Rechte auf das jugendlich schöne Haupt legend, blickte er ihm tief und innig in die Augen. Ein feuchter Glanz schimmerte in den seinen; aber rasch überwand er die Rührung und trat zu dem Stiftshauptmann.
»Hier habt Ihr mich wieder. Führt mich hinab in meinen Kerker!«
Die Knechte ergriffen ihn; aber da erklang die Stimme des Bischofs:
»Halt, laßt ab von ihm und entfernt Euch von hier!«
Sie alle folgten dem Rufe, nur Marie, die mit Joachim gekommen war, Hans von Röder und die anwesenden ritterlichen Herren blieben zurück.
»Tretet näher, Herr Caspar Gans von Putlitz! Ich habe Euch Etwas zu sagen.«
Putlitz folgte der Aufforderung. Das Auge Waldow’s flog von ihm auf Joachim; man sah, er verglich die Züge beider miteinander.
»Niemals aus Zwang, sprach ich vorhin zu Euch, und Ihr hättet mit mir dieses Wort durch den Tod besiegeln müssen, wenn Dieser, der sich Wolf von Hagen nennt, nicht gekommen wäre. Was Ihr dem Bischof von Brandenburg auch durch die ärgste Drohung nicht abzuzwingen vermöget, das giebt er Euch vielleicht
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