Der beiden Quitzows letzte Fahrten
Ernst der Lage, in der Güntersberg und dessen Bewohner sich befanden.
Die Belagerer hatten so geräuschlos, daß selbst die Wachtposten behaupteten, nichts gehört zu haben, die Mauern erklommen und befanden sich im Augenblicke bereits im Burghofe im Handgemenge mit den überrumpelten Belagerten.
Die Zahl der Gegner vermehrte sich sichtlich. Der Falkenmeister verhehlte sich nicht, daß ein längeres Belassen Brunhildens in der nicht mehr zu haltenden Burg nur mit den größten Gefahren für sie verknüpft sein würde.
Rasch stieg er deshalb wieder zu dem Gemach empor, in welchem das Mädchen weilte. Sie hatte selbst bereits die Vorgänge im Hofe bemerkt und kam ihm zitternd, weinend entgegen.
»Unsere Lage, Jungfrau, ist gefährlich,« sprach er sie mit dumpfem Tone an. »In Folge Unachtsamkeit der Leute ist es den Belagerern doch gelungen, uns zu überrumpeln, und schleunigste Flucht ist das Einzige, was ich Euch jetzt dringend rathen kann.«
Brunhilde schien noch nicht erwartet zu haben, daß die Gefahr bis zu dieser Höhe gestiegen war. Ihr fehlte im Augenblicke jedes Wort der Erwiderung.
Starren Blickes sah sie den jungen Mann einen Augenblick wie rathlos an, dann stieß sie gezwungen hervor:
»Aber mein Gott, was soll ich thun?«
»Wollt Ihr Euch mir anvertrauen? Ich werde thun, was in meinen Kräften steht, Euch an einen sichern Ort zu bringen. Bergt schnell, was Ihr mitnehmen wollt. Ich werde inzwischen sehen, in welcher Weise sich die Rettung am besten bewerkstelligen läßt, und bald wieder hier sein!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er hinaus, stieß aber, unten angekommen, bereits auf einige der verwegensten Stürmer.
Mit kraftvollen und gewandten Hieben trieb er die Eindringlinge, die auf diese Begegnung nicht gefaßt sein mochten, zurück und verschloß die Thüre.
Er wußte recht gut, daß dieser Nothbehelf nicht lange seinen Zweck erfüllen werde. Die starke Thüre mußte in kurzer Zeit schon den wüthenden Schlägen der erbitterten Gegner nachgeben. Die Uebermacht der Feinde war zu groß. Die Rettung Brunhildens war jetzt das Wichtigste, was er zu thun hatte.
»Wie aber soll ich diese Rettung aus der von Feinden rings umgebenen Burg bewerkstelligen? Wahrhaftig eine schwere Aufgabe!«
Wider Erwarten fand er Hilfe an einer Stelle, wo er sie nicht gesucht hatte.
Der alte Thurmwart kam nämlich in diesem Augenblicke herab und sah Brunhilde händeringend im Corridor in der Nähe der Treppe stehen. Zu gleicher Zeit bemerkte ihn aber auch der Falkenmeister und rief ihn eilends zu sich herab.
»Du weißt vielleicht so gut wie ich, daß an ein längeres Vertheidigen der Burg nicht zu denken ist und die Rettung der Jungfrau jetzt dringend nothwendig wird. –«
»Ich weiß schon, was Ihr sagen wollt,« unterbrach ihn der alte Thurmwart, »und glaube, da ich hier sehr genau bekannt bin, helfen zu können!«
»Sprich, in welcher Weise?«
»Ich kenne einen von hier ausgehenden unterirdischen Gang, der seitwärts von der Anhöhe, die an den See anstößt, ausmündet!«
»Bravo, Alter! Führe die Jungfrau bis zum Ende des Ganges und erwarte mich dort. Aber schnell, schnell; die Thür kann den Angriffen nicht länger Widerstand leisten!«
Brunhilde folgte, nachdem der Falkenmeister ihr mit wenig Worten den dem Thurmwart ertheilten Befehl kundgegeben hatte, schweigend dem Alten, und bald standen die Drei vor dem Eingange, der, wie der Falkenmeister sich überzeugte, so gut verwahrt war, daß ein Uneingeweihter ihn nur schwer zu finden vermochte.
Im Begriffe, hinabzusteigen, wandte Brunhilde sich noch einmal um und richtete den durch Thränen verschleierten Blick auf den jungen Mann.
»Ihr werdet mich doch nicht verlassen? Stürzt Euch nicht in den fruchtlosen Kampf; schonet Euch – meinetwegen!« fügte sie leise hinzu.
»Hegt keine Besorgniß um mich! Mein Schwert ist gut und ich verstehe mich der Feinde zu erwehren. Ich werde kommen, sobald meine längere Anwesenheit hier nutzlos wird!«
Er schloß selbst die Thür des Ganges und wollte durch eine Seitenthür zum Kampfplatze eilen.
Noch hatte er diese nicht vollständig erreicht, als er die Hauptthüre der Burg sprengen und eine ihm nur zu wohlbekannte Stimme befehlen hörte:
»Jetzt helft Ihr mir das Röslein vom Güntersberg suchen!«
Einen Augenblick schwankte er, ob er dem Inhaber dieser Stimme nicht sofort direct gegenübertreten sollte. Bald entschied er sich jedoch für Verneinung dieser Frage und trat hinaus in den Hof.
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