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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hörbar und Marie sah noch einmal forschend zu ihm auf.
    »Das setzt mich in Erstaunen; sie hat sich seither nie so furchtsam gezeigt. Nicht weniger fällt mir aber auch auf, daß Du so sehr bewegt bist. Hängt Deine Aufregung mit dem Schrecken der Unglücklichen zusammen?
    Ich werde bald zu ihr gehen und sie in das Gemach führen, sie wird und muß sich an Dich gewöhnen. Du bist ja so gut!«
    »Versuche es, mein Kind!«
    Rasch eilte sie hinaus. An ihrer Stelle kehrte aber der Ritter zurück.
    »Alles gütliche Zureden selbst durch Marie scheitert an dem festen Willen Ihrer unglücklichen Gattin, Euch nicht mehr begegnen zu wollen. Ich bitte Euch deshalb, tretet in mein Wohngemach, bis ich Euch rufen werde. Vielleicht gelingt es Marie und mir, sie zum Eintritt zu bewegen. Das Weitere muß sich dann ergeben!«
    »Ich stehe rathlos da; was meint Ihr, das ferner zu thun sei?«
    »Meines Dafürhaltens würde ein Zusammenführen der Kinder mit der Mutter das Einzige sein, was zunächst geschehen kann. Ich werde Marie und Detlev zu Euch senden!«
    Der Graf gab durch ein leichtes Neigen des Kopfes seine Zustimmung zu diesem Vorschlage und ging schweigend in das anstoßende Gemach.
    Hier sank er wie gebrochen auf einen Stuhl und überließ sich, unfähig der Wirkung des soeben Erlebten länger Widerstand zu leisten, dem ihn überwältigenden Gefühl herbsten Schmerzes. Der ganze Vorgang wollte ihm oft noch als ein Traum erscheinen, seine Gedanken schienen sich gleichsam im Kreise zu bewegen und nur um die Frage zu drehen, ist es möglich, daß ich die Meinen wieder habe, ist es möglich, daß Wanda –? Er war noch nicht im Stande, sich über sein ferneres Verhalten klar zu werden, und sah mit völliger Rathlosigkeit dem entgegen, was weiter geschehen werde.
    In dumpfem Sinnen saß er noch an derselben Stelle, als die nach dem Flur führende Thür aufging und Detlev mit Marie eintrat.
    »Du verlangst nach uns, lieber Vater?« fragte der Erstere, fuhr aber, als er sah, in welch gedrückter Stimmung dieser sich befand, erschrocken fort: »Hat Dich die Begegnung mit der unglücklichen Frau in so hohem Grade erregt, daß Du auch jetzt noch angegriffen bist?«
    »Ja, meine Kinder, dieses unerwartete Zusammentreffen war allerdings recht wohl im Stande, mich der Fassung zu berauben!«
    »Was in aller Welt ist es denn aber, das uns alle so eigenthümlich berührt, sobald wir die Frau sehen? Marie ist ihr nicht weniger zugethan wie ich, und auch Du theilst, wie ich sehe, unsere Zuneigung? Woher kommt das?«
    Er mochte eine Antwort erwarten, denn er hielt inne. Als er aber wahrnahm, daß sein Vater, den Kopf in die Hand gestützt, schwieg, fuhr er langsam fort:
    »Oft bereits habe ich mir die Frage nach dem Grunde dieser Zuneigung zu der Unglücklichen vorgelegt und bin zu Schlüssen gekommen, die ich leider als nicht mehr berechtigt verwerfen mußte. Als wir heut auf der Lichtung waren, und ich Dich am Fuße der Eiche stehen sah, wurde aber nicht nur die Erneuerung an unsere Trennung von Dir und unserer guten Mutter recht lebhaft in mir, sondern mein Ideengang führte mich unwillkürlich wieder zu der armen Frau zurück. – Ich habe, um meiner Schwester das Herz nicht unnöthig schwer zu machen, ihr noch nichts von diesen meinen Erwägungen mitgetheilt. Jetzt jedoch kann ich nicht länger mehr schweigen. Ich mußte Dir es mittheilen, um wenn möglich zu erfahren, ob« – seine Stimme fing an zu beben und sein Auge wurde feucht – »meine Ahnung trügerisch, ob ich ohne Grund gewagt habe mich auf Augenblicke einer Hoffnung zuzuneigen, die ich seither als vergeblich erkannte!«
    Marie hatte den Worten ihres Bruders mit wachsender Unruhe gelauscht. Ihr Blick haftete bald auf dem Vater bald auf dem Bruder; als er jetzt schwieg, rief sie hastig:
    »Detlev, Detlev, Du hast mir nicht sagen wollen, was Du so oft gedacht, Du hast mich nicht beunruhigen wollen? Diese Sorge war unnöthig, denn ich habe mich selbst fast täglich mit derselben Frage beschäftigt –!«
    In diesem Augenblick steckte die Alte den Kopf zur Thüre herein und sprach zu der sich nach ihr umwendenden Marie:
    »Unsere Kranke ist so sehr erregt, daß ich allein nicht im Stande bin, sie zu besänftigen. Wollt Ihr mir nicht behülflich sein? Auf Euch hört sie ja mehr, wie auf uns Andere alle!«
    »Ja, meine Tochter,« bemerkte nun auch der Graf, während er sein thränenfeuchtes Auge zu Marie erhob, »folge dem Rufe der Frau und nimm Dich der Kranken recht warm, recht

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