Der beiden Quitzows letzte Fahrten
Unglücklichen nicht zu stören, aus dem kleinen Nebenstübchen zu diesem heran.
Sie wollte den weiteren Verlauf des Gesprächs erfahren und besonders hören, weshalb der Vater durch die Kranke in außerordentlich, ihr unerklärlich hohem Grade erregt worden sei. Zu ihrem Erstaunen verhielt der sonst ihr gegenüber keine Geheimnisse hegende Bruder sich hier aber schweigsam.
»Später, liebe Marie, sollst und wirst Du Alles erfahren. Für heute quäle mich nicht mit Fragen, Du aber beunruhige Dich nicht unnöthig. Der Himmel meint es mit uns gut!«
»Das verkenne ich ja nicht, Detlev,« erwiderte Marie rasch; »warum verbirgst Du aber vor mir heut etwas, das ich, wie Du sagst, doch noch erfahren soll? Da dieses Geheimniß nun nach Deiner Andeutung nur etwas Gutes betreffen kann, so vermag ich nicht einzusehen, aus welchem Grunde ich nicht bald Kenntniß erhalten soll. Wolltest Du mir eine schlimme Nachricht verschweigen, dann würde ich annehmen, Du wolltest mir so lange als möglich einen Kummer ersparen: eine erfreuliche Botschaft mir aber vorenthalten wollen ist – nicht schön!«
»Kleine Neugierige!« rief Detlev wider Willen, den Eifer Mariens belächelnd; »die Nachricht betrifft Deine Pflegebefohlene! Jetzt aber frage mich nicht weiter!«
Um weiteren Fragen der Schwester zu entgehen, zog er sich, ihr, wie sie wohl fühlte, noch herzlicher, weicher wie gewöhnlich, fast wehmüthig gute Nacht sagend, bald in sein Schlafgemach zurück.
Am folgenden Morgen war Marie nicht wenig erstaunt, als der Ritter ihr mittheilte, sie werde mit der Kranken, die ihren Schreck und ihre Erregung vollständig überwunden zu haben schien, eine weitere Spazierfahrt unternehmen.
»Wir Beiden allein?« fragte Marie befremdet; »wer begleitet uns?«
»Ich selbst!« erwiderte der Ritter freundlich.
»Würden mein Vater und Detlev nicht theilnehmen an diesem Ausfluge?«
»Gewiß, liebe Marie, sie folgen uns!«
»Weshalb willst Du uns denn nicht gleich begleiten, lieber Vater?« wandte sie sich zu dem eben nähertretenden Grafen.
»Das geht nicht, mein Kind, ich werde aber so bald als möglich mit Detlev nacheilen. Fahre Du nur mit – mit – Deiner Pflegebefohlenen voraus!«
Marie schien noch weitere Fragen wegen dieser Anordnung stellen zu wollen, die so außerordentlich war, daß es ihr schwer wurde, sich mit ihr vertraut zu machen; war es ja doch seit ihrem Aufenthalt im Hause des Ritters zum erstenmale, daß sie ausfahren sollte; sie scheute sich jedoch, dieselben auszusprechen, denn Detlev’s auf ihr ruhender lächelnder Blick sagte ihr ziemlich deutlich: zügele Deine Neugierde; wenn es Zeit sein wird, sollst Du ja doch Alles erfahren!
Der Gefahr einer Abweisung durch den Vater oder durch den Ritter wollte sie sich in keinem Falle aussetzen.
Der Graf vermied, so schwer es ihm auch wurde, sorgfältig, der Kranken sich zu zeigen, welche, ohne sich irgend zu weigern, der Bitte Mariens und des Ritters entsprach und neben der Ersteren auf dem Wagen Platz nahm, und folgte, während der Ritter sein Pferd neben dem Wagen herlaufen ließ, mit Detlev dem Gefährt in geringer Entfernung.
Beiden war das Herz recht schwer, doch war Detlev sichtlich bestrebt, sich und auch dem bangenden Vater Zweifel an dem Gelingen des gewagten Unternehmens möglichst auszureden.
Als Letzterer beim Besteigen des Pferdes ausrief:
»O Gott, in welcher Stimmung werden wir zurückkehren? Wird der Allgütige unserem Vorhaben gnädig sein? Woher die furchtbare Unruhe, die mich im Augenblick befällt?« entgegnete Detlev in einem Tone, aus dem man zu erkennen vermochte, daß das, was er sprach, auch seine innerste Ueberzeugung war:
»Unsere Hoffnung wird nicht getäuscht werden und die Mutter ihre Gesundheit wieder erlangen. Selbst wenn eine innere Stimme mir dies nicht immer zuriefe, würde ich schon deshalb allein an einen günstigen Erfolg unseres Vorhabens glauben, weil der Herr Ritter diese Gesinnung hegt!«
Ein schwaches Lächeln überflog die Züge des Grafen, als er bemerkte:
»Du scheinst das bedingungsloseste Vertrauen in das Wissen und Wollen des Herrn Suteminn zu setzen. Hat er denn auch durch die Behandlung Kranker bereits einen Ruf sich erworben?«
»Wie man in dieser Beziehung vom Herrn Ritter spricht, kannst Du am besten in Tangermünde erfahren. Jedes Kind kennt ihn dort und nur wenige Familien werden in diesem Orte leben, die nicht seine ärztliche Hülfe bereits in Anspruch genommen hätten, und stets ist durch Befolgung der
Weitere Kostenlose Bücher