Der beiden Quitzows letzte Fahrten
innig an, sie verdient es –!«
Ohne weiter zu fragen, aus welchem Grunde ihr Vater ihr die Pflege der Unglücklichen so warm an’s Herz legte, verließ sie, gehorsam dem erhaltenen Winke, das Gemach und Detlev befand sich mit dem Grafen allein.
Ersterer ergriff jetzt die Hand seines Vaters.
»So lange Marie hier war,« begann er flüsternd, leise, als könne seine Schwester seine Worte im andern Gemach hören, »habe ich nicht gewagt, eine Vermuthung klar auszusprechen, die mehr und mehr zur Gewißheit wird.
Sage mir, ich bitte Dich dringend darum, ist das, was eine innere Stimme mir unaufhörlich zuflüstert, richtig? Ja, ja, es muß der Fall sein, ich kann mich nicht irren, die Stimme der Natur spricht zu deutlich in mir – die Unglückliche ist –?«
»Deine von uns seit langen Jahren als todt betrauerte Mutter!« lautete die mit umflorter Stimme gegebene Antwort des Grafen, welcher sich mittlerweile erhoben hatte.
»Allmächtiger!« rief Detlev, die hervorbrechenden Thränen ungehindert fließen lassend. »Arme, gute Mutter, welche Leiden mögen Dir aufgebürdet worden sein!« fuhr er nach kurzem Schweigen in dumpfem Tone fort, »ist denn keine Rettung möglich aus der Nacht, in die Dein Geist gestürzt worden ist? – – Gewiß! ich glaube nun mehr als je daran!
O wir werden nach der langen Trennung noch glücklich werden!
Aber wie wird Marie, meine weichherzige, seelensgute Schwester diese sicher von ihr bereits geahnte Nachricht aufnehmen?«
»Wenn ich,« sprach, noch ehe der Graf zu antworten vermochte, der Ritter, dessen Eintritt von Beiden überhört worden war, »mir nach ernster, reiflicher Ueberlegung einen Vorschlag erlauben darf, so möchte ich bitten, Marie noch ununterrichtet zu lassen und zu warten, bis der letzte Versuch zur Heilung Eurer Gattin, Herr Graf, angestellt sein wird!«
»Der letzte Versuch?« fragte der Graf trübe. »Seid Ihr mit Euch selbst darüber bereits einig geworden, was gethan werden soll? Ich bin noch unfähig, geordnet zu denken!«
»Hier würde, so viel ich gesehen habe, jede fernere Bemühung in dieser Richtung unnütz sein. Marie hat sie eben so weit beruhigt, daß sie sich fortan nicht mehr weigern will, in das Wohngemach zu kommen. Von einer erneuten Begegnung aber will sie nichts mehr wissen. Dagegen scheint sie sich – und dies betrachte ich als ein besonders günstiges Zeichen – einzelner Momente der Katastrophe auf der Lichtung plötzlich zu erinnern!«
»Habt Ihr ihre Andeutungen darüber verstanden?«
»Ja, ich glaube wenigstens, daß die abgebrochenen Ausrufe, wie: ›Großer Gott, stehe uns bei!‹ ›Schütze meine Kinder!‹ ›Sollen wir hier wirklich untergehen?‹ ›Helft, rettet!‹ ›Mein Gemahl!‹ ›Edward! Edward! die Ruchlosen schleppen mich fort! Hülfe!‹ sich nur auf das unglückselige Ereigniß beziehen!«
Mit athemloser Spannung hatte der Graf gelauscht.
»Dieser Angstrufe erinnert sich meine Gattin?« fragte er hochaufathmend, »sie vermag des furchtbaren Augenblicks sich zu entsinnen, als ich gebunden am Boden lag und sie von einigen der Elenden gewaltsam von den Kindern weggerissen und fortgeschleppt wurde. O es ist mir, als hörte ich jetzt noch den gellenden, herzzerreißenden Hülferuf, den sie ausstieß, als sie den letzten Blick auf die nach einer andern Richtung weggetragenen Kinder und dann auf mich richtete. – Mein Herz zieht sich heut noch bei der Erinnerung an die furchtbare Angst, die sich in ihren Augen, in ihren Zügen aussprach, krampfhaft zusammen.«
»Diese Wahrnehmung also giebt mir gegründeten Anlaß zu der Annahme, daß die gewaltige Erregung, in welche Eure Gattin vorhin gerathen, einen günstigen Einfluß auf sie hervorgebracht hat, sie hat mich weiter aber auch auf einen Heilversuch hingewiesen, der nach dem soeben Erlebten den besten Erfolg verspricht!«
»Und dieser Versuch?«
Der Ritter zögerte nicht, dem Verlangen des Grafen, Näheres anzugeben über das, was der Erstere als geeignet zur Herstellung der Gräfin erachte, zu entsprechen, und als die Herren nach einer, längere Zeit andauernden Besprechung spät am Abend sich von einander trennten, reichte der Graf froher Hoffnung voll Suteminn die Hand.
»Ich hoffe und glaube mit Euch, daß unser Vorhaben zu dem sehnlichst erwünschten Ziele führen wird!«
Marie weilte noch immer bei ihrer Mutter, welche endlich Ruhe gefunden zu haben schien, kam aber, als Detlev das Wohngemach betrat, vorsichtig, um den leisen Schlummer der
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