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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie, zärtlich sich an ihn schmiegend, »willst Du mich denn nicht an der Freude theilnehmen lassen, die Dich im Augenblick so ganz erfüllt? Willst Du mir nicht mittheilen, was hier eigentlich vorgegangen und« – fuhr sie, besorgt zu ihm aufsehend, rascher fort, – »wo die unglückliche Frau hingebracht worden ist? Ich sehe, ich fühle, daß jetzt Deine Erregung ebenso sehr mit ihr in Verbindung steht, wie gestern Abend Dein Kummer. Willst Du mir nicht wissen lassen, was das Alles bedeutet?«
    Zufällig glitt ihr Blick über die von dieser Stelle aus vollständig zu übersehende Lichtung; sie sah in der Nähe der Eiche den Ritter stehen und bemerkte am Fuße des Baumes die schlummernde Frau.
    »Großer Gott, was ist das?«
    Hastig wollte sie sich dem Arm ihres Vaters entwinden, um zu der Kranken hinzueilen. Er hielt sie jedoch zurück.
    »Gedulde Dich noch einen Augenblick, Marie, dann werde ich Dich selbst zu ihr führen. Beantworte mir erst eine Frage!«
    »Eine Frage? und welche?«
    »Worin würde die größte Freude bestehen, die Dir heut bereitet werden könnte?«
    »Wenn ich – doch wozu einem Gedanken nachhängen, der sich nicht mehr verwirklichen kann? Sie ist ja sicher schon lange, lange todt!«
    »Sprich nur diesen Gedanken aus!«
    »Nun, wenn ich mit meiner guten, lieben Mutter zusammenkäme, wenn ich sie heut wiederfände –!«
    »Bist Du wirklich so fest überzeugt davon, daß Deine Mutter nicht mehr unter den Lebenden weilt?«
    Hastig richtete Marie sich empor und sah ihrem Vater groß, starr in’s Auge.
    »Antworte mir nur, mein Kind, woher hast Du die Gewißheit, daß Dein Verlangen nicht mehr erfüllt werden könnte?«
    »Vater, um Gottes Willen,« schrie sie laut auf, »wäre es möglich, sollte meine Ahnung mich doch nicht getäuscht haben? Sollte die Stimme, welche mir seit – seit – Ha! – laß mich gehen, laß mich hin zu ihr! Jetzt weiß ich – o mein Gott – und ich kann meine gute Mutter so sorglos allein lassen – vermag sie leiden zu sehen und –«
    »Fasse Dich, mein Kind! Deine Ahnung hat sich bestätigt. Du hast allerdings Deine Mutter seither schon so treu gepflegt, und ohne es zu wissen, wem Du Dein Mitleiden bezeugst, ihr schweres Leiden bitter beklagt. Freue Dich nun aber auch mit uns: Die Mutter ist von ihrer bösen, von ihrer furchtbaren Krankheit geheilt. Sie ist wieder im Besitz ihrer vollen Geisteskräfte und genießt jetzt den ersten stärkenden Schlummer!«
    Unfähig, weiter zu sprechen, wehrte er den hervorbrechenden Thränen nicht länger, und im stummen Dankgebet wandten die drei Ueberglücklichen sich zum Lenker der Geschicke. All’ das schwere Leid, was ihnen lange Jahre hindurch aufgebürdet, die Erinnerung an die vielen trüben Stunden, die ihnen durch das über sie hereingebrochene Geschick bereitet worden, wurde verdrängt, vergessen und nur allein die unbeschreibbare Freude erfüllte sie, jetzt endlich doch so glücklich zu sein, als sie es nie mehr zu werden glaubten. –
    Nun war der Graf aber auch nicht länger im Stande Marien zurückzuhalten; sie flog über die Lichtung und sank neben dem Lager der Mutter in die Kniee. Sie wagte kaum zu athmen aus Besorgniß, die Schlummernde zu stören, und vergaß in ihrer rührenden Sorge für die geliebte, endlich wiedergefundene Mutter Alles um sich her!
    Vater und Sohn folgten ihr langsamer.
    Der Kapitän hatte mittlerweile seinen Weg langsam fortgesetzt. Der Graf aber folgte mit Detlev der vorausgeeilten Marie. Während Letzterer zu Mutter und Schwester ging, trat der Erstere zu Suteminn, welcher, auf sein Schwert gestützt, sinnend an einem Baume lehnte.
    Auf dem weichen Moose war es dem Grafen möglich, nahe zu dem Ritter heranzukommen, ohne daß dieser aus seinem Sinnen aufgeschreckt worden wäre.
    Erstaunt fragend, blieb der Graf wenige Schritte von diesem entfernt stehen.
    Was bewegte den Ritter zu der finsteren Miene, mit welcher er vor sich hinsah? Recht herbe, bittere Gedanken mußten es sein, die ihn beschäftigten, denn seine Lippen waren zusammengezogen, seine Stirne in Falten gelegt und der Blick nichts weniger als freundlich.
    »Was ist Euch, Freund? Weshalb dieser Unmuth in einem Augenblick, in welchem Ihr Euren Freund als den glücklichsten Menschen der Erde vor Euch seht?«
    Suteminn sah bei dieser Frage des Grafen auf und Letzterer schüttelte verdutzt den Kopf.
    »Hat mich denn die Freude verwirrt gemacht? Ihr seid, wie ich jetzt deutlich sehe, nicht finsterer und auch nicht freundlicher

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