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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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immer, daß ich sie bald wieder in meine Arme schließen werde, und seit er nicht mehr kommt, versprecht Ihr es mir an seiner Stelle; aber Euer Versprechen geht nicht in Erfüllung. Mein Haar ist grau, steinalt mein Gesicht, die Augen dunkel und krank mein Herz; soll ich noch tausend Jahre warten, bis sie kommen? Ich möchte sterben, aber ich sterbe nicht; ich möchte weinen, aber ich habe keine Thränen mehr; ich möchte wüthen und um mich schlagen wie früher, aber ich habe keine Kraft dazu. Und denken kann ich auch nicht mehr, es brennt mir lichterloh im Kopfe und feurige Räder rollen durch mein Gehirn. Gebt mir meinen Gemahl, meine süßen Kinder wieder, und ich will Euch alles Leid verzeihen, welches Ihr mir bereitet habt!«
    »Wartet nur noch eine kleine Weile, dann werden sie kommen und Euch abholen!«
    »Warten, und immer wieder warten! Ich habe gewartet, bis ich alle Namen vergessen habe, den meinigen und den meines Geliebten; auch wie die Kinder heißen, weiß ich nicht mehr. Sagt mir doch, waren es Knaben, oder waren es Mädchen? Es ist so traurig, von ihnen geschieden zu sein! Ich weiß nicht mehr, was der schwarze Mann von mir wollte, aber er sagte mir oft, daß ich so schön sei und daß ich sie wiedersehen würde, wenn ich ihn nicht mehr so bös ansähe; nun bin ich häßlich geworden und er kommt nicht; ich wollte ihm gern ein freundlich Angesicht zeigen, damit er mir meinen Wunsch erfülle, aber er kommt nicht; ich wollte vor ihm knieen, ihm die Füße küssen, wie ich es so oft gethan habe, und ihn bitten, aber er kommt nicht. Er kommt nicht und der Tod auch nicht; ist das nicht traurig? Nehmt doch das große Messer, welches Ihr hier an der Seite tragt, und stoßt es mir in die Brust! Mein Herz thut mir wehe, und es wird ruhig werden, wenn Ihr es gut getroffen habt. Ihr schüttelt mit dem Kopfe? Geht, Ihr wollt mich auch quälen so wie die Anderen alle, aber ich werde doch noch sterben, und dann – nein, nein, weicht fort von mir! Ich bin nicht mehr schön, und Ihr sollt mich nicht anrühren. Eure Augen glühen wie Feuer und Eure Hände brennen wie die Krallen des Teufels. Ihr seid in der Hölle geboren; macht Euch von hinnen, geht; geh, geh, Du Teufel, der meine Seele verderben und meinen Leib vernichten will!«
    Sie hatte mit immer wachsender Aufregung gesprochen, und die letzten Worte klangen kreischend und schneidend wie die Worte einer Wahnsinnigen. Der Mann antwortete darauf mit leiser, eindringlicher, begütigender Stimme, sie aber stieß jene seufzenden Ausrufungen aus, welche die Anstrengung, sich aus den Armen einer kräftigen Person zu befreien, hervorbringt.
    »Laß mich, laß mich, nimm Deine Hand von mir, Unseliger! Dein Odem ist heiß und Dein Angesicht verzerrt; ich mag Dich nicht sehen, ich kann Dich nicht leiden! Ich gehöre nur Einem, und der ist stark und mächtig. Siehst Du, wie er um sich schlägt und wie sie fallen vor seinen gewaltigen Streichen? Mir ist so angst und die Kinder wimmern. Ich schreie und rufe, aber Niemand will kommen, um ihm beizustehen und den gräßlichen Reiter vom Pferde zu schlagen. Aber horch! Raschelt es nicht in den Zweigen? Es kommt Einer und noch Einer. Sie werfen sich mit Macht auf sie, aber der Erste fällt und der Zweite läßt sich von hinnen locken. Meine Sinne schwinden mir – und nun wache ich auf, die Kinder sind fort, er ist fort und ich, ich bin gefangen. Aber er wird wiederkommen und die beiden Anderen auch, und dann, dann – gehe, sage ich Dir, gehe, sonst tödte ich Dich. Ha, das ist Dein Dolch! Ich habe ihn Dir entrissen und werde ihn in Dein giftiges Blut tauchen. Fort, fort, Schlange, sonst stoße ich zu!«
    Es war dem entschlossenen und frohlockenden Tone anzuhören, daß sie sich losgerissen hatte und mit gezückter Waffe vor ihm stand. In dem Inneren Uchtenhagens kochte es; alle seine Fibern zuckten, ihr beizuspringen, aber die Mauer befand sich zwischen ihm und ihnen. Sein Blut wallte vor Zorn und Aufregung ihm heiß durch die Adern; die Hände ballten sich und die Füße zuckten gegen das feste Gestein, als wollten sie es mit kräftigem Tritte zermalmen. Da – was war das? Bei dieser Bewegung trat er gegen einen Gegenstand, der seine sofortige Beachtung in Anspruch nahm. Er bückte sich, um ihn mit den Händen zu untersuchen und fand, daß es eine starke Eisenstange sei, welche mit ihren beiden Enden fest in den untersten Mauerstein eingelassen war und einen breiten Griff bildete, mit dessen Hülfe – er dachte nicht

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