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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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entfernt vom Rande lag. Da öffnete sich die Thür; ein heller, schmaler Lichtstreifen fiel durch dieselbe in die Nacht hinaus und beleuchtete eine kleine, verschobene Männergestalt, welche, die Augen mit beiden Händen gegen das Wetter schützend, das Dunkel zu durchdringen strebte.
    »Mach’ die Thür zu, Heinrich,« rief hinter ihm eine tiefe, rauhe Weiberstimme; »der Regen schlägt herein, und der Wind bläst mir das Feuer durch die Esse! Auch ist es Mitternacht, und die ist keines Menschen Freund. In der Weidenbucht hat es gestern wieder einmal so sonderbar gepurzelt; das kostet ein Menschenleben, und der alte Willrich hat mir erst heut erzählt, daß sich das schwarze Schiff im Flusse sehen läßt; das giebt wieder Blutvergießen, wie damals im Herbste, als es dreimal hinter einander gesehen wurde und gleich darauf die vielen Leichen angeschwommen kamen. Man hat sie aufgefischt, aber nie erfahren können, woher sie stammten.«
    »Und das ist ganz gut, denn sonst hättest Du Dir über jede einzelne eine Gespenstergeschichte ausgesonnen, die ich täglich zehnmal anzuhören bekäme.«
    »Eine Gespenstergeschichte? Denkst Du etwa, daß ich abergläubisch bin? Noch lange nicht so, wie die Rieke Hannecken, nein, gar nicht so, sage ich Dir, aber es giebt doch zwischen Himmel und Erde Dinge, die man nicht verstehen kann; und was von der Erde fort ist und nicht in den Himmel darf, wo soll denn das anders zu finden sein, als in der Luft und auf dem Wasser! Die Rieke Hannecken hat mir erst vorhin gesagt, daß –«
    »Sei still mit Deiner Rieke Hannecken,« gebot der Kleine, indem er die Thür wieder schloß und sich zurück an das Feuer setzte; »ich mag von dem Weibe nichts wissen!«
    »Das weiß ich wohl. Du magst von gar Niemanden mehr etwas wissen, auch von mir nicht. Alle Tage bist Du fort, und kommst Du des Abends ja nach Hause, so bleibt das Lager leer und Du gehst bei Wind und Wetter am Strande draußen spazieren. Ich habe es bisher gelitten und mir im Stillen den Kopf darüber zerbrochen, was Du nur immer auswärts zu suchen hast.«
    »Laß das nur unterbleiben; es hilft Dir doch nichts!«
    »So? Ich als Frau soll Dich täglich fortlassen, ohne einmal nachdenken zu dürfen, wo Du hingehst? Und mein Sinnen hilft mir doch nichts? Hältst Du Dich wirklich für so klug, daß ich nicht erfahren sollte, was Du treibst und was Dir anliegt? Liebesgedanken sind es, Liebesgedanken, denen Du nachhängst, die Rieke Hannecken hat es mir gesagt! Ein Mann, der mit seiner Frau nicht spricht, immer ohne ihren Willen fortgeht, sich schlaflos auf dem Lager herumwälzt und sich keine Rede und Antwort abkaufen läßt, der ist verliebt, hat sie gesagt. Es ist auch vor kurzer Zeit Eine bei Ihr gewesen, der hat sie eine Latwerge von Salbey, Beifuß und Gänsekropf machen müssen, und das ist ein Trank, der auch den treuesten Ehemann von Sinnen bringt, wenn er zur guten Zeit und im richtigen Tempo gebraut wird. Besinne Dich, wo Du so etwas getrunken hast!«
    Der Krüppel sah die lange, starkknochige und schnurrbärtige Frau mit einem verächtlichen Blicke an.
    »Glaubst Du denn wirklich, daß sich ein vernünftiges Weibsbild in mich verlieben könne?«
    »Ja, das glaube ich, das glaube ich sehr, denn ich bin Dir auch gut gewesen.«
    »Daran hat mir niemals viel gelegen.«
    »Das weiß ich; aber ich wollte Dich nun einmal haben, denn die Rieke Hannecken sagte, es würde nun bald Zeit, daß ich mir endlich Einen nähme. Da bin ich zu Deiner Mutter gegangen; die hat Dir den Kopf zurecht gesetzt, und so sind wir zusammengekommen.«
    »Ja, die Rieke Hannecken ist an gar manchem Unheile schuld!«
    »Das sagst Du, weil Du sie nicht leiden magst; ich aber weiß, was sie kann. Als ich von den zwölferlei Gicht die neunte Sorte hatte und vor Schmerz keinen Augenblick schlafen konnte, da hat sie mir in drei Tagen geholfen. Die Gicht kam zwar schon nach kurzer Zeit wieder, aber das war wieder eine andre Art, nämlich die elfte. Und dann, als ich mit dem bösen Herzgebreste beladen war, da hat sie bei mir gewartet, bis der Spuk erschienen ist, und sich eine volle, geschlagene Stunde mit ihm herumgebalgt, bis er vor ihr fliehen mußte. O, die Rieke Hannecken, sie glaubt gar Vieles, was ich nicht glaube, aber sie hat mir erst heut früh gesagt – –«
    »Daß Du eine alte Ziege bist, die nichts weiter als dummes Zeug mäckert!« fiel er ihr in die Rede, indem er sich erhob, die Thür von Neuem öffnete und trotz des Regens die Hütte

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