Der beiden Quitzows letzte Fahrten
und drei Knechte an den Boden. Und dazu kommt dort noch der Kremzow hinter uns her mit seinem Haufen. Die können nur immer umkehren, denn nun wir die Herren haben, brauchen wir den Dörfern nichts zu thun!«
Wirklich nahte ein Haufen Reisiger, an deren Spitze Henning von Kremzow ritt. Sie hatte im Begriffe gestanden, einen Streifzug auf das Güntersbergische zu machen und wunderten sich nicht wenig, die beiden vornehmsten ihrer Gegner hier so plötzlich und unerwartet gefangen zu sehen. Diese wurden ihrer Waffen entledigt und in die Mitte genommen.
»Ihr befandet Euch auf der Jagd, wie ich aus Eurer Ausrüstung sehe. Wo habt Ihr Euer Geräthe und Diejenigen, welche bei ihm wachen müssen?« frug Henning von Wedel. Aber er erhielt keine Antwort, und nur nach langem Drängen rief Simon von Güntersberg erbost:
»Sucht selbst, ich mache Euern Fanghund nicht!«
»Gut, vielleicht waren die Herren auf der Beitze, und dann führten sie wohl auch das ›Röslein von Güntersberg‹ mit, wie Eure Tochter ihrer Lieblichkeit wegen genannt wird. Ich kenne sie nicht und habe sie schon längst gern sehen mögen.«
Die Unruhe, welche sich bei diesen Worten in den Zügen Simons nicht verkennen ließ, bestätigte sein Vermuthen, und so gab er den Befehl, daß die Gegend sofort und treulich abgesucht werden solle; er selbst werde dabei helfen.
»Ihr wißt, Herr Simon, daß wir einst gute Freunde waren, ehe Der von Stegelitz Euch den Kopf verdrehte. Damals hat Euer Töchterlein oft mit meinem Buben gespielt, und ich habe es auf meinen Knieen geschaukelt. Der Bube ist in die Fremde, aber er kehrt bald wieder, und da wäre es doch schön, wenn er die Gespielin wiederfände. Ich werde sie für ihn suchen!«
Diese scharf gesprochenen Worte, scheinbar eine Freundlichkeit enthaltend, erfüllten den Vater mit bitteren Befürchtungen. Er mußte den Knechten folgen, welche ihn davonführten, und die einzige Hoffnung, welche ihm blieb, war diejenige auf die Umsicht und Treue des Falkenmeisters, dem er sein Kind anvertraut hatte. Mit stillem Grimme dachte er an die Unvorsichtigkeit, mit welcher er, der Mahnung desselben entgegen, dem Willen Dessen von Stegelitz nachgegeben hatte, nachdem ihnen doch gleich vorher durch Friedrich von Wedel eine ernste Lehre geworden war. Er selbst konnte möglicherweise, von einem günstigen Umstande unterstützt, sich seiner jetzigen Lage noch entziehen; wurde aber auch Brunhilde gefangen, so wurde die Lösung schwieriger und mit größeren Opfern verbunden. Darum gelobte er sich, Friedländer stets in hohen Ehren zu halten, wenn es diesem gelänge, das Mädchen glücklich nach Güntersberg zu geleiten. –
Neuntes Kapitel
Unter den Vitalienbrüdern
Im Norden der germanischen Länder vermählt sich der atlantische Ocean durch das deutsche Meer und die Ostsee mit den niedrigen Küsten, welche weich und niedrig in die Fluthen steigen, um sich in dem »Millionentropfen« zu baden, wie eine alte scandinavische Heldensage das Meer benennt.
Die ausgedehnte Wasserstrecke des Nordostens gehört dem fast abgeschlossenen und beschränkten Binnenmeere der Ostsee an, welche von kalten, meist ziemlich unfruchtbaren, schwachbevölkerten und nur langsam civilisirten Landesgrenzen umschlossen wird. Dort waren die wechselvollen Winde und der kurze, krause Wellenschlag von jeher keineswegs geeignet, zu weiten Schiffahrtsversuchen mit gebrechlichen Fahrzeugen zu ermuthigen. Dazu kam, daß die einspringenden Buchten des baltischen Meeres oft erst im späten April von den Eisdecken des langen Winters befreit wurden, die Küsten wenig natürliche Anlage zur Hafenbildung zeigten, lange Strecken derselben durch einen seltsamen Dünenkranz gesperrt waren und die Verbindung des Binnenlandes mit der hohen See durch die Seichtigkeit der kleineren Flüsse ebenso bedroht wurde wie durch die unaufhaltsame Versandung der Mündungen der größeren Stromgewässer.
Auch die Nordsee, oder wie sie richtiger heißt, das deutsche Meer hat noch viel von der Lage eines Binnenmeeres. Sein kürzester Weg von Deutschland aus in den freien Ocean führt durch die enge Straße von Calais, die eben so leicht durch fremde Seemächte versperrt werden, wie durch ihre gefahrvollen Strömungen abschrecken konnte. Auch die langgestreckten Küsten dieses aufgeregtesten aller Meere leiden einen empfindlichen Mangel an geschirmten Häfen und Schiffsstationen, an sicherem Fahrwasser und windstillen, bergenden Golfen. Ueberdies sind sie zu jeder Zeit
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