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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verließ.
    Er schritt dem Strande zu, der sich an dieser Stelle nach einwärts bog und eine kleine Bucht bildete, deren Rand mit dichtem Weidengestrüpp bewachsen war. Dies war die Weidenbucht, von welcher die Frau gesprochen hatte.
    Sich gegen Wind und Strom wendend, strengte er seine Sinne an, ob sich vielleicht irgend ein ungewöhnliches Geräusch vernehmen lasse; aber das Heulen des Windes überbot jeden andern Laut, so daß ein Ruderschlag selbst aus großer Nähe wohl nur schwer hätte gehört werden können. So stand er eine ganze Zeit; da plötzlich schrak er zusammen: es hatte ihn eine kräftige Faust beim Arme gepackt.
    »Bist Du es, Heinrich, oder ist es ein unberufener Lauscher, dem ich die Neugierde vertreiben muß?«
    »Teufel noch einmal, laß los, Daniel! Du zermalmst mir die dünnen Knochen ja vollständig!«
    »Gut, so habe ich doch recht gesehen in dieser Höllennacht. Warum hast Du mich nicht angerufen?«
    »Sehr einfach: weil ich Dich weder gesehen noch gehört habe. Der alte Blasius thut heut ja über die Gebühren! Meine Hütte wackelt in allen Fugen und meine furchtsame Hausehre sieht Gespenster von allen Farben.«
    »Nimm ihr das nicht übel; es geht ja oft auch ganz gespenstermäßig zu auf dem Stückchen Erde, wo Du unser Nachtkönig bist. Und so lange die Leute hier an Gespenster glauben, so lange können wir hier auch ungestört unser Wesen treiben. Ist Alles sicher?«
    »Ja, bringst Du Güter?«
    »Nein, diesmal nicht. Habe etwas Besseres geladen, was mir aus Hamburg zugeschickt worden ist.«
    »Etwas Besseres als Güter? Hm!«
    »Du denkst, es giebt überhaupt nichts Besseres als eine gute und billige Sorte von gewissen Waaren?«
    »Ich habe stets so gemeint. Was hast Du?«
    »Einen Pfaffen.«
    »Einen Pfaffen? Pfui Teufel!«
    »Nur sachte, sachte! Es scheint mir eine ganz absonderliche Art von Pfaffe zu sein.«
    »Inwiefern?«
    »Da, sieh einmal hinaus auf’s Wasser! Möchtest Du jetzt, zu dieser Stunde, in dieser Finsterniß, bei diesem Winde und trotz des Eistreibens auf meinem morschen Kahne eine Fahrt versuchen?«
    »Das möchte ich mir doch vorher erst einmal überlegen!«
    »Da hast Du es! Und dieser fromme Mann hat Zeit seines Lebens noch keinen Fuß in einen Kahn gesetzt und kommt gar weit her aus dem Binnenlande. Dennoch aber hat er mir fast gute Worte gegeben, ihn herüber zu schaffen, weil seine Sache Eile habe.«
    »Allerdings gehört er da nicht zu Denen, welche blos singen und beten, fasten und sich kasteien und vor lauter Angst das böse Wesen bekommen, wenn sie das Wasser nur riechen. Wo ist er denn eigentlich her?«
    »Er thut in Allem sehr geheimnißvoll, aber so viel habe ich vernommen, daß er aus den Marken kommt und Pater Eusebius heißt. Er brachte mir das geheime Zeichen mit; er hat es in Hamburg bekommen, und ich muß ihm also zu Diensten sein.«
    »Und was will er hier?«
    »Er will nach dem Wiking.«
    »Nach dem Wiking? Mir scheint, der Kerl hat Muth! Was mag er dort wohl zu thun haben?«
    »Er hat kein Wort verlauten lassen. Ich übergebe ihn Dir; das Uebrige ist Deine Sache.«
    »Bringe ihn her!«
    Der Mann entfernte sich und kehrte bald darauf in Begleitung eines zweiten zurück.
    »Wir sind mit einander fertig,« sagte er zu diesem; »von jetzt an habt Ihr Euch mit Euren Wünschen an diesen hier zu wenden!«
    Pater Eusebius wollte Etwas erwidern, aber der Sprecher war nach dem letzten seiner Worte schon im Dunkel der Nacht verschwunden. Hinrich ergriff ihn bei der Kutte und zog ihn mit sich fort.
    »Kommt!« mahnte er ihn; »es ist heut nicht gut sein im Freien!«
    Die ganze vorherige Unterhaltung war nicht gesprochen, sondern geschrieen worden, da eine jede gewöhnliche Rede im Winde vollständig verklungen wäre. Darum gab Hinrich auch jetzt nur in kurzen Worten die einzelnen Weisungen, welche nothwendig waren, ihm durch die Finsterniß folgen zu können, und schritt über den morastigen Boden bis in die Mitte einer kleinen, mit Binsen bewachsenen Fläche, wo er sich bückte, um eine Fallthüre empor zu heben, welche mit Erde und Pflanzenwerk so verdeckt war, daß man sie selbst am hellen Tage wohl nur schwer und bei vorsätzlichem Suchen von ihrer Umgebung hätte unterscheiden können.
    Er führte den Pater eine Reihe von Stufen hinab, welche aus Rasen aufgesetzt waren, brannte unten ein Licht an, dessen kleines, düsteres Flämmchen einen nur höchst zweifelhaften Schimmer um sich her verbreitete, und verließ ihn dann mit den Worten:
    »So, jetzt

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