Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ungeheuren Veränderungen und Verheerungen durch furchtbare Sturmfluthen ausgesetzt gewesen, welche von Nordwesten über das Land hereinbrachen und mit ihren Wogenkrallen ganze Landestheile in den nimmersatten Schlund des Meeres rissen. Aber der dort wohnende Volksstamm der Friesen und Sachsen hat es jederzeit verstanden, dem Elemente zu trotzen, das Küstenland durch kostspielige Dämme und Deiche zu schützen und im Kampfe mit dem Meere demselben immer wieder neuen Boden abzugewinnen, und seine Angehörigen sind es gewesen, welche sich seit uralten Zeiten mit nie gebrochenem Muthe auf die trügerischen Wogen hinausgewagt haben.
    Ja, es gab eine Zeit, in welcher Deutschland auf den beiden nordischen Gewässern und weit über sie hinaus eine weltgeschichtliche Bedeutung erlangte. Dies war die Glanzperiode der deutschen Hansa. Dieser ursprünglich von Hamburg und Lübeck abgeschlossene Handelsbund umfaßte nach und nach über achtzig Städte, hatte mehrere ausländische Kolonien und zeichnete sich durch merkwürdige, fast klösterliche Einrichtungen aus. Damals fehlte für die nordischen Seen noch die Weltverbindung durch die Oceane; der Verkehr war meist nur auf die angrenzenden Meerbusen und Binnengewässer beschränkt; die an der Nord-und Ostsee wohnenden außer-deutschen Völker hatten jene hohe und geordnete Kraftentwicklung auf der See noch nicht begonnen, durch welche sie den Deutschen später einen so gewaltigen Vorsprung abgewannen, und es wurde die Hansa ganz unberufen des Reiches Seemacht, welche mit Klugheit, Muth und zäher Ausdauer alle Vortheile benutzte, sich zur kräftigsten und ausgedehntesten Geltung zu bringen. Die Entdeckung und kaufmännische Belebung ferner Straßen und Länder, die Weiterverpflanzung des Christenthumes, die Erziehung der Marine und des Handels von Großbritannien, die Bändigung der ungezähmten Normannen, die Niederhaltung der dänischen Herrschaft, die Entscheidung über die Besetzung des schwedischen Thrones, die Befreiung der Meere vom Raubgesindel, welches dieselben unsicher machte, eine weit verzweigte Colonisation an und auf dem baltischen Meere und die Sicherung ihrer Freiheit gegen Vergewaltigung durch äußere Feinde, das alles war das Werk ihres kräftigen und nachdrucksvollen Handelns. Ein ganzes Heer von wohlbewaffneten Söldnern stand in ihrem lohnenden Dienste, um ihre Karawanen gegen das verwegene Raubritterthum zu schützen; ihre Gesandten und Bevollmächtigten standen in hoher Geltung bei allen Fürsten und Höfen; ihre Gelder thaten Wunder; ihre Protection galt oft mehr als die Freundschaft eines Königs, und ihre Schiffe durchfurchten den Ocean nach allen Richtungen, in denen es möglich war, Macht und Ansehen zu vergrößern und den Reichthum zu vermehren.
    Wie zu Lande, gab es damals auch zur See eine Menge Leute, welche ernteten, da sie nicht gesäet hatten und am liebsten nach dem griffen, was ihnen nicht gehörte. Ein wohlbemanntes und gutgebautes Fahrzeug auf offenem Meere bildete gewissermaßen einen kleinen souveränen Staat, der sich keiner fremden Macht unterwarf, seine eigenen Gesetze und Bestimmungen hatte und nur dann einmal sich in fremden Dienst stellte, wenn er seinen Vortheil dabei fand. Diese Art Leute führten ein freies, ungebundenes, Wechsel-und abenteuervolles Leben, und es war daher nicht zu verwundern, daß grad’ die unruhigsten und unternehmendsten Character die Planken eines Kapers suchten und fast täglich Thaten verrichtet wurden, welche des Heldenthums würdig gewesen wären, wenn sie einen edleren Zweck gehabt hätten.
    Eine Gesellschaft besonders war es, welche zwar nicht unter sich geschlossen, aber doch zusammenhängend und vielfach in ihren einzelnen Gliedern verbunden, das Handwerk der »freien See« im ausgedehntesten Maßstabe betrieb und eine solche Macht bildete, daß selbst Fürsten nach ihrem Beistande strebten. Es waren die Vitalienbrüder, unter welche uns jetzt der Gang unserer Erzählung führt. –
    Wenn man von Hamburg aus die Elbe abwärts fährt, so gelangt man an die Insel Neuwerk, welche in der Mündung des Stromes liegt und aus einem öden, flachen Marschlande besteht.
    Es war ein unfreundlicher Abend, an welchem es sich bei dem flackernden Heerdfeuer besser saß als draußen im Freien. Ein hohler Nordwest strich pfeifend über das vollständig im Dunkeln liegende Eiland und peitschte die großen, schweren Regentropfen gegen die geschlossenen Läden einer armseligen Hütte, welche einige Hundert Schritte

Weitere Kostenlose Bücher