Der Benedict Clan 01 - Auf immer und ewig
Erde mit endlosen Reihen dunkelgrüner Setzlinge bepflanzt war, die sich schnurgerade bis zum Horizont erstreckten. Es seien Baumwollfelder, erklärte Kane und erzählte von der mühsamen Arbeit zwischen Anbau und Ernte der Pflanzen. Er nannte Regina auch die verschiedenen Bäume, die in den Wäldern wuchsen, die die Felder unterbrachen und deren Kronen sich über der Straße zu einem riesigen grünen Blätterdach vereinten. Seine tiefe Stimme und sein weicher Südstaaten-Akzent wirkten so beruhigend, ja fast einschläfernd auf Regina, dass sie beinahe überhört hätte, wie er zum Angriff überging.
„Ich würde lieber über Sie als über Baumwolle und Bäume reden. Wieso verstehen Sie so viel von altem Schmuck? Wo haben Sie sich Ihre Sachkenntnis erworben? Hatten Sie eine Ausbildung auf diesem Gebiet?"
„Ich habe Edelsteinkunde am Gemmological Institute of America studiert", erwiderte Regina, sich in ihrem Sitz aufrichtend. „Aber eigentlich begann es als eine Art vererbter Leidenschaft."
„Sie meinen, es war vererbter Familienschmuck, der Ihr Interesse an der Materie weckte?"
Seine Schlussfolgerung konnte ihr nur recht sein. Genau das, was er da sagte, sollten die Leute glauben. Obwohl sie selber es nie so zum Ausdruck gebracht hatte. „So ungefähr", antwortete sie ihm ausweichend.
Regina entwickelte ihre Leidenschaft für antike Schmuckstücke, als sie sich früher nach der Schule die Zeit in einer Pfandleihe zu vertreiben pflegte. Abe Levine, der ältere Mann, dem der Laden gehörte, war der Inbegriff des ehrwürdigen Gentlemans gewesen. Er hatte sich immer Zeit für sie genommen, hatte stets sein Buch oder seine Geige weggelegt, wenn sie den Laden betrat, und sie mit einem warmen Lächeln empfangen. Er besaß ein schier unerschöpfliches Wissen, und es hatte ihm Freude gemacht, schöne alte Stücke für sie aus den Vitrinen zu nehmen, um ihr ihre Geschichte zu erzählen, ihr zu erklären, wo die Steine herkamen, welchen Wert sie besaßen und wie man echten Schmuck von unechtem unterscheidet. Es war Abe, der ihr den Bernsteinanhänger schenkte, den sie stets um den Hals trug - ihr erstes altes Schmuckstück. Sie hatte gelogen, als sie Kane erzählte, er sei ein Verwandter gewesen. Doch sie war sicher, es hätte Abe nicht gestört. Für sie war Abe der Großvater gewesen, den sie nie gehabt hatte.
Während der vielen Stunden, die sie in seinem Laden verbrachte, hatte er mit seinen Geschichten ihre Fantasie beflügelt. Er wusste von unschätzbaren Kostbarkeiten zu berichten, die vor und nach der Revolution aus Russland herausgeschmuggelt wurden. Und auch von Juwelen, die während des Zweiten Weltkriegs aus Deutschland geschmuggelt wurden - oft weniger wertvolle Stücke mit tragischem Hintergrund -, erzählte er ihr.
Abe hatte sie in jenen Kreis von Käufern und Verkäufern antiken Schmucks eingeführt, die ihr zu ihrer ersten Kommission verhalfen, und er ermutigte sie auch dazu, ihren ersten Auftrag, eine Kollektion antiken Familienschmucks zu schätzen und zu verkaufen, anzunehmen. Zwar hatte Regina keine Gelegenheit ausgelassen, sich weiterzubilden, hatte Museen besucht und Bücher gelesen. Trotzdem verdankte sie diesem gütigen alten Mann eine Menge, vor allem ihre Unabhängigkeit.
Abe hatte ihren Cousin Gervis nie gemocht. Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Gervis hatte keine Träne vergossen, als Reginas Mentor starb.
Seltsam, jetzt, wo sie so darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass Lewis Crompton sie an Abe erinnerte.
„Für jemanden, der sein Geld mit dem Schätzen von Schmuck verdient, tragen Sie aber recht wenig Schmuck, finden Sie nicht auch?" Kane ließ den Blick einen Moment auf ihren Fingern ruhen, die bar jeglicher Ringe waren.
Regina spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss - was normalerweise nicht allzu häufig vorkam. Sie trug selten Ringe, weil sie die Aufmerksamkeit auf ihre Fingernägel lenken würden, die sie extrem kurz hielt, damit sie nicht in Versuchung kam, daran herumzukauen. „Nein, nicht wenn ich reise", antwortete sie ihm knapp. „Die Sachen sind zu wertvoll. Ich habe Angst, sie könnten mir gestohlen werden."
Kane hob die Brauen. „Aber müssen Sie nicht ständig mit dem Schmuck anderer Leute herumreisen?"
„Für den ich natürlich verantwortlich bin, sicher. Aber ich habe nicht bloß den Geldwert gemeint." Um ihre Hände vor seinen Blicken zu verbergen, verschränkte sie die Arme. Dabei hoffte sie, dass die Geste nicht zu offenkundig
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