Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
ein großer Kräuter- und Obstgarten gewesen war und sich an dem Weg jenseits der Scheune erstreckte. Roan mähte offensichtlich ab und zu zwischen den Beeten, um zu verhindern, dass das Unkraut überhand nahm, aber das war auch schon das ganze Ausmaß an Kultivierung, das man dem Garten angedeihen ließ. Die Äste der wild wuchernden Brombeersträucher bogen sich unter der Last der vielen Früchte in allen Reifestadien von Grün über Rot bis hin zu fast schwarzem Purpur. Die Beeren waren beinahe so groß wie Pflaumen und von köstlicher Süße und versprachen einen herrlichen Cobbler.
Tory und Jake arbeiteten in kameradschaftlichem Schweigen, das vom Summen der Bienen und dem gelegentlichen Kreischen eines Eichelhähers begleitet wurde. Ab und zu wehte süßer Geißblattduft herüber. Die hohen Bäume schirmten den alten Garten von der Spätnachmittagssonne ab, aber es war trotzdem heiß. Tory schwitzte, ihre Fingerspitzen waren lila, ihre von den Dornen zerkratzten Hände brannten, aber es machte ihr nichts aus. Es war ein herrliches Gefühl, sich endlich wieder einmal frei bewegen zu können. Sie genoss das Zusammensein mit Jake, und der Gedanke, sich nützlich machen zu können, gefiel ihr. Es war gefährlich, so zu denken, aber sie war glücklich.
Sie war glücklich. Wann hatte sie zum letzten Mal eine derartige - fast euphorische - Zufriedenheit verspürt? Sie konnte sich nicht erinnern. Es war lange her. Darüber, warum das so war, wollte sie allerdings nicht nachdenken, nicht jetzt und auch nicht in nächster Zeit.
Ihr Beereneimer war noch kaum zur Hälfte voll, als sie hörte, wie der Motor des Wohnmobils ansprang und das Fahrzeug kurz darauf langsam die Einfahrt hinuntertuckerte. Sie schaute Jake fragend an.
„Schätze, Pop hat irgendwas nicht ganz mitbekommen", sagte er, während er mit hochgezogenen Augenbrauen dem davonfahrenden Wohnmobil nachschaute.
Damit meinte er offenbar, dass Roans Vater Schwierigkeiten hatte, sich zu vergegenwärtigen, dass sie eine Gefangene war. Das war Tory auch schon aufgefallen. Es war nett, dass er so unbesorgt war. „Er hat heute Mittag irgendetwas von Einladungen gesagt, die er überbringen will."
„Ja. Wahrscheinlich fährt er zu Kane rüber, er hat vorhin am Telefon so was gesagt. Aber keine Sorge, Dad wird nicht lange wegbleiben. Und der alte Beau wird schon Lärm schlagen, falls hier irgendjemand rumschleicht."
Das war zwar gut gemeint, doch da Beau lang ausgestreckt auf dem Weg lag und den Schlaf des Gerechten schlief, ließ sich nicht viel Trost daraus schöpfen. Aber davon abgesehen, beschäftigte Tory etwas ganz anderes. Jetzt, nachdem Pop weg war, war sie ohne einen Aufpasser, weil Allen und Cal an den Wochenenden frei hatten. Ihr Überwachungsgerät war deaktiviert. Eine bessere Gelegenheit, sich unauffällig aus dem Staub zu machen, konnte es gar nicht geben.
Das Einzige, was ihr fehlte, war ein fahrbarer Untersatz, und der war in der Scheune. Jetzt musste sie nur noch herausfinden, wie sie hineinkam.
Auf Jakes Hilfe konnte sie nicht zählen; es hatte sich bereits gezeigt, dass er sich nicht gegen seinen Dad stellen würde. Außerdem würde sich der Junge vielleicht verpflichtet fühlen, sie aufzuhalten, wenn sie zu fliehen versuchte, und sie war sich nicht sicher, ob es ihr gelingen würde, sich loszureißen, wenn er sie festhielt. Davon abgesehen, könnte er auf die Idee kommen, ihr Beau hinterherzuschicken, und obwohl der Hund eine gewisse Zuneigung zu ihr entwickelt hatte, war er darauf trainiert, Befehlen zu folgen.
Tory wälzte das Problem wieder und wieder in ihrem Kopf herum, während sich ihr Eimer langsam füllte. Die Zeit flog dahin, und es kam ihr vor, als ob ihr Verstand und ihre Willenskraft gelähmt wären. Sie musste ihren inneren Widerstand endlich überwinden und es einfach versuchen, dann würde sie schon sehen, was passierte.
Was brauchte sie, um wegzukommen? Die Schlüssel zur Scheune und zum Super Bird. Nachdem Roan das Auto gewaschen und poliert hatte, hatte er es wieder eingeschlossen. Bevor er in die Stadt gefahren war, hatte er sich umgezogen. Vielleicht waren die Schlüssel ja noch in der alten abgeschnittenen Jeans.
Das konnte sie nur herausfinden, indem sie nachschaute.
Und dafür war jetzt die beste Gelegenheit. Aber vorher musste sie sich noch eine Ausrede einfallen lassen, die ihren derzeitigen Bewacher nicht misstrauisch machte.
„Mein Eimer wird mir langsam ein bisschen zu schwer, meine Schulter fängt schon
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