Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
dass die Wagentüren geöffnet wurden. Jemand schrie etwas, das nach Befehlen in Pashtu klang. Er spähte vorsichtig um den Baumstamm und sah gerade noch, wie Ahmad und seine Kumpane sich aus dem Wagen rollten und zwischen den Bäumen auf der gegenüberliegenden Seite des Weges Deckung suchten. Er zählte vier Personen. Offenbar hatte Ahmad Verstärkung mitgebracht, nachdem er einen Mann bei der Aktion in Turn-Coupe verloren hatte.
Wade beobachtete die in den Wald huschenden Schatten und betätigte einmal den Abzug seiner Waffe. Der einzelne Schuss ließ die Gruppe wie ein Mann zusammenfahren. Jemand schrie so, als wäre einer von ihnen verletzt worden, doch Wade vermochte nicht zu sagen, wie schwer er einen der Angreifer getroffen haben mochte. Dass sich die vier keine Mühe gaben, sich möglichst lautlos zu bewegen, sprach dafür, dass sie in Panik flohen.
Die Strategie, die sie sich überlegt hatten, funktionierte wie geplant. Die Hazaristaner waren zu Fuß und auf der Flucht. Der Heimvorteil gehörte eindeutig den Benedicts, da sie jeden Hügel und jede Senke, jede Schlangengrube und jeden Hasenbau in der Umgebung kannten.
Bislang lief zwar alles nach Plan, doch es würde kein Spaziergang werden. Die Männer, die sie stoppen mussten, waren ausgebildete Soldaten, und die Benedicts wussten nicht, welche Art Waffen sie mitgebracht hatten. Das Gefährlichste an ihnen war jedoch ihre wilde Entschlossenheit. Sie wollten ihre vermeintlichen Feinde ausradieren, und es machte ihnen nichts aus, für dieses Ziel zu sterben.
Wade verließ seine Deckung und schaute sich in der Dunkelheit um, bis er Clay entdeckte. Er winkte ihm kurz zu und gab ihm damit das Zeichen, weiterzugehen. Clay ließ seinen Vogelruf ertönen, der von Nat und den anderen weiter vorne an der Straße beantwortet wurde. Schattenhafte Gestalten näherten sich aus allen Richtungen und bildeten eine lange Reihe entlang des Weges. Ein weiteres Signal ertönte, dann setzte sich die Reihe in dieser Formation in Bewegung, um den Gegner einzukreisen.
In dem Moment drang der Ruf eines Kindes durch die Nacht. Wade blieb wie angewurzelt stehen und lauschte.
„Lainey", hörte er Clay aus kurzer Entfernung mit finsterem Tonfall sagen.
Er hatte Recht. Das Mädchen rief immer wieder den Namen seines Vaters. Irgendwie musste Lainey den Pick-up auf der Straße durch den Wald gesehen haben. Dann hatte sie die Schüsse gehört und glaubte wohl, Clay sei verletzt worden. Wade merkte, wie sich seine Nackenhaare sträubten, als ihm klar wurde, dass die Kleine vom Haus her in ihre Richtung gelaufen kam. Voller Entsetzen hörte er im nächsten Moment auch Jakes Stimme, der Lainey offenbar zurückholen wollte und ihr in den Wald folgte.
Clay murmelte etwas, das wie eine Mischung aus Fluch und
Stoßgebet klang. Wade wiederholte es mit der Heftigkeit entsetzlicher Angst. Die beiden Kinder liefen geradewegs in die Arme des Feindes. Und beraubten so die Benedicts der absoluten Sicherheit, nur den Gegner und keinen Unschuldigen zu treffen. Wenn die beiden in die Gewalt der Angreifer gerieten, war ein Blutbad unvermeidbar, da keiner der Benedicts es zulassen würde, dass den Kindern auch nur ein Haar gekrümmt wurde.
Obwohl er hätte schwören können, dass sich die Situation nicht noch weiter verschlimmern konnte, wurde er im nächsten Moment eines Besseren belehrt, als er eine dritte Stimme hörte. Es war die einer Frau, die nach den Kindern rief und ihnen in die Wälder nachrannte. Sie rief etwas Warnendes, möglicherweise, dass Jake und Lainey ruhig sein sollten, da fast augenblicklich völlige Stille einkehrte.
Chloe. Die Stimme gehörte Chloe.
Wade fühlte sich, als würde ihm das Herz aus dem Leib gerissen. Die Angst um Chloe ließ ihm den Schweiß über den Rücken strömen. Er fluchte stumm.
Schlagartig wurde er ruhig. Es brachte nichts, das Schlimmste zu befürchten. Jetzt half nur ein kühler Kopf. Er atmete tief durch und verbannte alle Gedanken und Gefühle, um sich auf die eine Sache zu konzentrieren, die zu erledigen war. Er musste die drei von hier fortschaffen.
Clay kam zu ihm. In der Nacht wirkte er wie ein Geist, lautlos wie eine Eule auf der Jagd in der Dunkelheit. Als er nahe genug war, sprach er so leise, dass man ihn aus mehr als ein oder zwei Metern Entfernung bereits nicht mehr hätte hören können. „Ich habe Lainey. Chloe gehört dir. Roan ist vermutlich schon hinter Jake her, aber wenn er ihn nicht findet, dann muss einer von uns Ausschau
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