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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & Gordon Eklund
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Datum.
    Reynolds las: 1966.
    Die Inschrift war russisch.
    Hier lag der Quell des marsianischen Lebens. Der Garten Eden leuchtete im Staub.
    Reynolds hockte schwankend am Boden und starrte in den fernen Himmel, in dem ein einziger, zerfaserter Wolkenstreifen hing. Mein Gott, warum haben sie es uns nicht gesagt? Es war ein Produkt der Geheimniskrämerei jener fernen Zeit – des kalten Krieges. Und jetzt: Kontamination. Eine russische Sonde, stinkend von irdischen Bakterien, war hier zerschellt.
    Reynolds senkte den Blick und spähte über die einsame Landschaft hinweg. Leben auf dem Mars – ja. Aber wessen? Unseres, hier heraufgebracht von dieser Sonde? Oder ihres?
    Er wußte, daß man diese Frage niemals würde beantworten können.
    Seine Trauer verwandelte sich unvermittelt in Bitterkeit und Wut. Er sprang auf die Füße und trat auf die Sonde ein. Seine Stiefel stießen scheppernd dagegen. Die kyrillische Inschrift verschwand zwischen den Beulen. Die Farbe splitterte herunter, und das dünne Metall zerriß.
    Mühsam entspannte er sich und ließ sich schwerfällig in den Staub sinken. Er mußte die aufsteigenden Tränen niederkämpfen. So viel, so gottverdammt viel, und dann dieser wahnsinnige, komische, lächerliche Schluß.
    Smith würde jeden Augenblick über ihm hinwegziehen. Er würde es ihm sagen müssen.
    Reynolds durchforstete die Fakten. War das ganze marsianische Leben eine Kontamination? Oder nur zum Teil? Wenn nur zum Teil, wie war dann der Garten-Eden-Effekt zu erklären?
    Wenn, wenn …
    Angenommen, die Sonde hatte der genetischen Speisenkarte des Mars ein neues Element hinzugefügt. Neue biologische Informationen, neue Überlebensmechanismen. Etwas Grundlegendes, wie die geschlechtliche Fortpflanzung selbst, auf Zellebene. Wie damals, als man Kaninchen nach Australien gebracht hatte, nur symbiotisch: Die Kreuzungen überlebten besser als die Eingeborenen und besser als die Kontaminanten. Eine neue Rasse von Marsianern, die sich vom Garten Eden aus verbreitete. Die Injektion eines neuen Tricks in das genetische Erbgut würde oder könnte einen solchen Ausuferungseffekt bewirken.
    Zwei Hypothesen:
    (a) Alle Marsianer waren Kontaminanten.
    (b) Dies war lediglich eine neue Züchtung. Welche von beiden stimmte?
    Es gab keine Möglichkeit, das herauszufinden. Keine.
    Bis zur nächsten Expedition, die den Garten und das dort blühende Leben sorgfältig studieren konnte.
    Aber dies war nicht bloß eine wissenschaftliche Frage.
    Sobald sie von diesem absurden sowjetischen Blechding hörten, würden sie zu demselben Schluß kommen wie er: Hypothese (a). Nur würde auf der Erde niemand auf die Sonde eintreten und schlagen können. Deshalb würden sie das zerschlagen, was ihnen am nächsten erschien. Und das Raumfahrtprogramm lag so verführerisch nahe …
    Zwei Hypothesen, beide gleichermaßen wahrscheinlich im Lichte der genannten Tatsachen … und welche sollte man wählen?
    Diejenige, die zu weiterer Forschung, zu einer zweiten bemannten Expedition führt? (b)?
    Oder diejenige, die die Diskussion beendet? Die der gesamten Forschung die Kehle durchschneidet? (a)?
    Reynolds saß im Staub und dachte nach. Stille hüllte ihn ein.
    Dann trat er zu seinem abgewetzten Fahrzeug, holte das Radio und stellte es in den Sand.
    „Fresno“, sagte er, „hier ist Morgan Basis.“
    „Roger. Ich kann Sie hören.“
    „Nichts Besonderes zu berichten. Hübsche Landschaft, rostiger Sand. Alles voller Mikroben. Wahrscheinlich ist es einfach ein guter Platz zum Leben. Sagen Sie denen auf der Erde … sagen Sie ihnen, Hellas ist Florida.“
     

 
Zwei
2017
Der Mond

 
    Ein Hund kann nicht heucheln, aber er kann auch nicht aufrichtig sein.
    Ludwig Wittgenstein
     

 
1
     
    Es war von trügerischer Größe und Massigkeit, dieses fremde Raumschiff, und irgendwie sah es aus, als ob es an jeden beliebigen Punkt des Universums gehörte, nur nicht hierher.
    Reynolds ging vorsichtig den schmalen Korridor im Innern des Schiffes hinunter. Vor seinem geistigen Auge sah er noch einmal das Herannahen der Luftschleuse, und noch einmal rollte der Vorgang des Verschlucktwerdens ab. Die Decken hier waren hoch, das Licht war schlecht, und die Wände bestanden aus einem matten, polierten Metall.
    Dies und anderes huschte durch seine Gedanken, während er weiterging. Reynolds war ein Mann, dem die feine Verwobenheit sorgsamen Nachdenkens Genuß bereitete, aber darüber hinaus beschäftigte das intensive Denken an diese Dinge seinen Geist und

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