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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & Gordon Eklund
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an Kelly oder O’Hara, aber sie konnten nichts tun. Einer nach dem anderen verließen sie den Saal, um im Gang zu warten. Kelly war die letzte.
    „Seien Sie kein Narr“, ermahnte sie ihn.
    „Keine Sorge“, erwiderte er.
    Als die Männer fort waren, führte Jonathon Reynolds aus dem Mittelsaal hinaus. Es war nicht weit bis zu dem alten Raum, in dem sie sich sonst immer getroffen hatten. In alter Gewohnheit marschierte Jonathon prompt zur hinteren Wand und blieb dort stehen.
    Reynolds lächelte. „Danke“, sagte er.
    „Gern geschehen.“
    „Dafür, daß Sie sie belogen haben. Ich hatte befürchtet, daß sie Sie mit ihrer Dummheit beleidigen würden. Und ich dachte, Sie würden Ihre Verachtung kundtun, indem Sie schlecht logen und sie Ihrerseits beleidigten. Ich habe Sie unterschätzt. Sie sind sehr gut mit ihnen umgegangen.“
    „Aber Sie möchten mich noch etwas fragen?“
    „Ja“, sagte Reynolds. „Ich möchte Sie bitten, mich mitzunehmen.“
    Wie immer blieb Jonathon auch jetzt ausdruckslos. Aber er sagte lange Zeit nichts. Dann: „Warum wollen Sie das? Wir werden nie wieder hierherkommen.“
    „Das ist mir egal. Ich habe Ihnen schon gesagt: Ich bin nicht typisch für meine Rasse. Hier kann ich niemals glücklich werden.“
    „Aber sind Sie typisch für meine Rasse? Würden Sie bei uns nicht unglücklich sein?“
    „Ich weiß es nicht. Aber ich würde es gern versuchen.“
    „Es ist unmöglich“, sagte Jonathon.
    „Aber … aber wieso?“
    „Weil wir weder die Zeit noch die Fähigkeit haben, uns um Sie zu kümmern. Wir sind auf einer verzweifelten Mission. Während unserer Abwesenheit ist unsere Heimatwelt vielleicht schon wahnsinnig geworden. Wir müssen uns beeilen. Unsere Zeit wird knapp. Und Sie werden uns nicht helfen können. Es tut mir leid, aber Sie wissen, daß es so ist.“
    „Ich kann mit den Sternen sprechen.“
    „Nein“, sagte Jonathon, „das können Sie nicht.“
    „Aber ich habe es doch getan!“
    „Das war Vergnan. Ohne ihn könnten Sie es nicht.“
    „Ist das Ihr letztes Wort? Gibt es sonst niemanden, den ich fragen könnte? Ihren Captain?“
    „Ich bin der Captain.“
    Reynolds nickte. Den ganzen Weg hatte er seine Koffer und Kisten geschleppt, und jetzt würde er sie wieder nach Hause transportieren müssen. Nach Hause? Nein, nicht nach Hause. Auf den Mond.
    „Könnten Sie bitte feststellen, ob sie eine Fähre für mich dagelassen haben?“ bat er.
    „Ja. Einen Augenblick.“
    Jonathon wellte davon und verschwand im Gang. Reynolds drehte sich um und starrte die Wände an. Wieder erschien es, als ob das Regenbogenmuster sich bewegte und aus eigener Kraft tanzte und wirbelte. Er sah es und fühlte sich traurig, aber seine Traurigkeit war nicht die des Bedauerns, sondern die Traurigkeit der Leere und der Einsamkeit. Diese Leere war schon so lange ein Teil von ihm gewesen, daß er manchmal vergaß, daß sie da war. Jetzt wußte er es. Er wußte, daß er, bewußt oder unbewußt, die letzten zehn Jahre seines Lebens damit zugebracht hatte, vergeblich nach einer Möglichkeit zu suchen, diese Leere auszufüllen. Vielleicht noch mehr als das: Vielleicht war sein ganzes Leben nichts als die Suche nach jenem einen Augenblick der wirklichen Erfüllung gewesen. Ein- oder zweimal hatte er tatsächlich dicht davorgestanden. Das erste Mal war er auf dem Mars gewesen. Als er gelebt und zugesehen hatte, wie die anderen starben. Da war er nicht allein oder leer gewesen. Und das zweite Mal war hier in diesem Raum gewesen – mit Vergnan. Nur zweimal in seinem Leben war es ihm vergönnt gewesen, bis an den Rand der wahren Bedeutung vorzudringen. Zweimal in achtundfünfzig endlos langen Jahren. Würde es je wieder geschehen? Wann? Wie?
    Jonathon kam zurück und blieb in der Tür stehen. „Ein Pilot ist da“, sagte er.
    Reynolds ging zur Tür, bereit zum Abschied. „Beabsichtigen Sie noch immer, unsere Sonne zu besuchen?“ fragte er.
    „Oh ja. Wir werden weiter suchen, weiter forschen. Wir wissen sonst nichts. Sie glauben nicht – nicht einmal nach dem, was Vergnan Ihnen gezeigt hat, nicht wahr, Reynolds?“
    „Nein, ich glaube nicht.“
    „Ich verstehe“, sagte Jonathon. „Und ich habe Verständnis. Wir alle – selbst ich – haben mitunter unsere Zweifel.“
    Reynolds ging weiter den Korridor entlang. Hinter sich hörte er ein schweres, klapperndes Geräusch, und als er sich umdrehte, sah er, daß Jonathon ihm folgte. Er blieb stehen, bis der Alien ihn erreicht hatte, und sie

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