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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & Gordon Eklund
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verkrustenden, kristallinen Schutzschicht bedeckt.
    Die Menge vor der Schleuse seufzte auf, als sie erschien, und das Geräusch war so dicht, daß man es fast sehen konnte. Alle redeten durcheinander, aber Bradley fixierte Mara und Tsubata, wie sie in schmerzhafter Langsamkeit auf ihn zukamen. Die Leute teilten sich und öffneten einen Gang, so daß er freie Sicht hatte. Maras Mund stand ein wenig offen, sie atmete tief, und ihr Gesicht war bleich. Aber ihre Augen hatten ihr wildes Glitzern behalten, und sie waren starr auf Bradley gerichtet.
    „Sie haben mir von Corey erzählt“, sagte sie, als Tsubata mit ihr stehenblieb.
    „Jetzt kannst du ein weiteres Experiment abschreiben.“
    „Wir haben einen Mann verloren“, sagte Bradley sanft. „Einen von vielen.“
    „Wieder ein technologischer Haltepunkt für den Zustand der Menschheit. Und wie alle andern hat er nicht funktioniert.“ Mara sagte das ohne den üblichen bitteren Unterton. Den tiefen Falten der Erschöpfung in ihrem Gesicht zum Trotz funkelten ihre Augen. Sie lächelte trocken und mit herabgezogenen Mundwinkeln.
    „Vielleicht.“
    „Wieso müßt ihr immer am Hirn herumpfuschen, Bradley?“ sagte Mara mit plötzlicher, neuer Energie. „Wieso entwickelt ihr nicht Menschen, die Zeitungen verdauen können, oder lernt, wie man Photosynthese vollzieht? Wieso verdreht ihr die DNS, um die Intelligenz zu steigern? Wie soll denn das gutgehen? Zum Teufel, die Menschen, die das tun, sind geisteskrank – das ist nämlich der eigentliche Grund für das Projekt.“
    „Ich weiß.“
    „Ja, ja.“ Tsubata drückte sie sanft an sich, und sie schien sich in seinem Arm zu entspannen. Die Leute drängten sich um die drei in der Mitte und erfanden unter vielen Oohs und Aahs Geschichten füreinander.
    Sie sind alle ein Teil der gesamten Matrix, dachte Bradley, ein Ganzes. Hier draußen, fern von dort, wo sie angefangen hatten, gab es eine Leere, die sich nur mit der Verknüpfung von Menschen füllen ließ. Mit einer Gemeinschaft.
    „Komm her, Bradley“, sagte Mara. „Ich will dir etwas ins Ohr sagen.“
    Bradley neigte sich steif nach vom und streckte die Hände aus, um sie zu stützen.
    Impulsiv ließ sie sich in Bradleys Arme gleiten. Sie hob den Kopf und legte ihren Mund auf seinen, beinahe wie um ihn am Weiterreden zu hindern. Ihre Augen kräuselten sich genüßlich. Es begann wie ein einfacher Kuß, und dann glitt ihre Zunge zwischen seine runzligen Lippen und tief in seinen Mund. Die Wärme berührte ihn; er blinzelte überrascht. Dann entspannte er sich, ohne nachzudenken, und empfand ein heimliches Vergnügen. Und er spürte ein merkwürdiges, vertrautes Regen in seinen Lenden.
    Schließlich löste sie sich von ihm und lächelte ihn wissend an. „Tatsächlich“, sagte sie.
    Sie zog Tsubata am Arm und humpelte weiter. Vor ihr wichen die Leute auseinander. Bradley nickte, und was er in ihren schnellen Bewegungen sah, war nicht eine neue Bestimmung, sondern eine unaufhörliche, endlose Parade, und sie würde – sie mußte – ihn zurücklassen.
     

 
2061
Titan

 
    Ein alter Mann ist ein erbärmlich Ding,
    ein abgewetzter Mantel nur an einem Stock,
    wenn nicht die Seele in die Hände klatscht
    und singt, und lauter singt.
    W. B. Yeats

Draußen neigte sich die Oberfläche von Titan.
    Bradley Reynolds betrachtete sie teilnahmslos und ließ sich von den schlingernden Bewegungen des Schreiters in leichten Schwingungen auf seiner Koje hin und her wiegen. Er hatte sich ein Kissen unter den Kopf gekeilt, so daß er die Fensterluke direkt vor Augen hatte. Bei dem stark gedämpften Licht im Raum gewann die Titan-Landschaft an Detailreichtum und Farbenpracht. Er konnte schroffe Felsenriffe erkennen, die das rötliche Eis durchbrachen. Schmutziggrauer Schnee, von Kies durchsetzt, klebte in den Spalten. Alles war von diesem durchdringenden roten Glühen durchtränkt – die wabernde Wolkendecke am Himmel, die glitzernden Ammoniak-Eiszapfen, die verwitterten Felsblöcke.
    Wieder kippte die Szenerie. Der Schreiter sank mit pneumatischem Pfeifen herab. Bradley erkannte den wuchtigen Schlag, mit dem die Vorderbeine ruckartig nach vorn stießen. Sie fanden einen Halt, und der Schreiter wogte vorwärts. Er spürte, wie die Stoßdämpfer den Schwung absorbierten, und dann schwangen die Hinterbeine schwerfällig vor und brachten den Boden wieder in die Waagerechte.
    Eine verflucht unbeholfene Art der Fortbewegung. Wieviel leichter war es doch bei dieser geringen

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